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N° 1353
13. - 23.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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„Nocturnal“

Sebastian Studnitzky

Xjazz Music/ The Orchard-Membran XJMCD22002
(62 Min., 2021)

Von wenigen Ausnahmen wie Glenn Gould abgesehen, empfinden Musiker die Bühne als ihr Lebenselixier. Fehlt – wie in den Zeiten des Lockdowns – die regelmäßige Präsentation des eigenen Könnens, der Phantasie, der Kreativität, droht mancher zu vereinsamen und verkümmern. Für den Berliner Trompeter, Pianisten, Keyboarder, Labelmanager, Festivalkurator Sebastian Studnitzky zählte es zur Überlebensstrategie, nahezu täglich gegen Mitternacht auf Instagram spontane Konzerte zu streamen: Dialoge mit sich selbst, mit vorgefertigten oder live erstellten Zuspielern, Klangmeditationen, von denen er nie wusste, ob sie jemand hörte und was die Leute dabei empfanden. Sie haben trotzdem beim künstlerischen Überleben geholfen.
Die Quintessenz dieses nächtlich entstandenen Materials fasst Studnitzky nun auf dem Soloalbum „Nocturnal“ zusammen: Elf zurückhaltende Stücke aus dem weiten Feld zwischen Techno, Ambient und Jazz mit Titeln wie „Abyss“, zu Deutsch „Abgrund“, „Solitude“ (Einsamkeit), „Dusk“ (Dämmerung), „Breath“ (Atem), „Omara“ (die Blühende, die lange Lebende) oder „Auriel“ (einer der biblischen Erzengel). In ihnen konzentriert sich vieles, was sich auch in Studnitzkys früheren Produktion findet: mit Atemhauch geblasene, einfühlsame Trompetenmelodien, die gelegentlich auch an Miles Davis’ melancholisches, vibratofreies Spiel erinnern. Hinzu kommen kräftig oder kaum verfremdetes Klavierspiel, flächige Hintergrund- und Illustrationssounds, der Klang historischer Keyboards, gelegentlich ein Einsatz der Stimmen wie auf Pat Methenys frühen, raumfüllenden Alben, Percussion mit orientalisch/indischen Rhythmen oder Verwandtschaftsbeziehungen zu Hip Hop und anderen Formen der Popmusik und in „Flusso“ sogar tackernde Discobeats. Bei all dem ereignet sich wenig Aufregendes, wohl aber viel Anrührendes, ausgestattet mit Brüchen, Wendungen in Duktus und Klangstruktur. Dem Nachtaktiven gelang ein gefühlvolles Abbild von Melancholie und Hoffnung in den Zeiten, die einen zum Alleinsein zwangen.

Werner Stiefele, 23.07.2022


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