Diesmal haben sich die unermüdlichen Musiksucher des Palazzetto Bru Zane selbst übertroffen. Denkt man doch, von einem gern gespielten Komponisten wie Jules Massenet sei schon alles aufgeführt, auch das meiste aus dem Werkverzeichnis aufgenommen. Weit gefehlt. So wie immer noch einige seiner Opern einer Einspielung harren, so wusste man eigentlich gar nicht, dass von ihm auch mehrere Dutzend Orchesterlieder existieren, von denen gerade eines bisher auf CD gebannt wurde. Im Frankreich des 19. Jahrhunderts bestand danach eine große Nachfrage für den Konzertgebrauch, man wollte nicht immer nur Arienausschnitte zwischen Instrumentalwerke mischen. Und so findet sich eben auch diese Massenet-Werkgruppe, die auf vielen Ebenen überzeugt: durch die atmosphärische Qualität der ihnen zugrunde liegenden Gedichte oftmals vergessener Poeten, die Originalität der Orchestrierung bisweilen auch mit Klavier, die sorgfältige Behandlung der Stimme. Mit dem Ehepaar Nicole Car und Étienne Dupuis, Jodie Devos, Cyrille Dubois, Véronique Gens sowie Chantal Santon Jeffery hat man bewährt kompetente Bru-Zane-Vokalmitstreiter versammelt, die diese 21 Erstbegegnungen zum sinnlichen wie intellektuellen Vergnügen machen. Das gleiche gilt für das motivierte Pariser Kammerorchester unter dem souveränen Hervé Niquet. Eine zärtlich parfümierte Fülle des Wohllauts tut sich hier auf, ein Bouquet fein sich entfaltender Melodien in üppiger Belle-Époque-Anmutung. Da nascht man staunend von Lied zu Lied, ertrinkt, versinkt – und will mehr von so Leckerem. Vor allem weil Massenet gerade den intimen Charakter dieser Lieder betont, raffiniert orchestriert, aber immer der Stimme den Vortritt lässt. Schon die hier versammelten Singgrößen wissen es ihm mit perfekter Phrasierung zu danken.

Matthias Siehler, 23.07.2022

---

Diese CD können Sie kaufen bei:

---

---

---

Kommentare

Kommentar posten

Für diese Rezension gibt es noch keine Kommentare.

---