Decurio/Klassik Center Kassel DEC007
(67 Min., 1/2020 & 3/2021)
Das zweite Streichquartett op. 31 von Josef Suk beginnt mit einem Adagio von erschütternder Intensität. So komponiert jemand, der gerade in einen tiefen Abgrund blickt. Private Schicksalsschläge – 1904 starb Suks Schwiegervater und Lehrer Antonín Dvořák, nur ein Jahr später seine Frau Ottilie – hinterließen Spuren in seiner Tonsprache. Das Stück reflektiert aber auch die damalige Epochenwende, die Suche nach radikal neuen Ausdrucksformen. Suk zeigt sich hier als Zeitgenosse von Gustav Mahler, Claude Debussy und nicht zuletzt von Arnold Schönberg. Die einzelnen Sätze des Quartetts sind nicht voneinander getrennt, sondern verschmelzen zu einem sich organisch entfaltenden Ganzen.
Mit einer spannungsreichen Lesart dieses Werkes gelingt es dem Philharmonischen Streichquartett Berlin, die Zuhörer vom ersten Ton an in seinen Bann zu ziehen. Exzellentes Musizieren verbindet sich mit großer Leidenschaft. Den Philharmonikern Helena Madoka Berg, Dorian Xhoxhi, Kyoungmin Park, die zusammen mit dem Solisten Christoph Heesch musizieren, merkt man an, dass sie gewissermaßen auf der vorderen Stuhlkante sitzen. Dieser Eindruck bleibt auch bei dem zweiten Stück des Albums bestehen. 1896 hatte Suk, der auch ein versierter Geiger war, in Prag an der Uraufführung von Dvořáks Streichquartett op. 106 mitgewirkt. Darin spiegelt sich Dvořáks Sehnsucht nach der während seines USA-Aufenthalts schmerzlich vermissten Heimat. Die Freude über die Rückkehr nach Böhmen ist ungestüm, von unbeschwerter Heiterkeit ist hier nichts zu spüren. Das Adagio ma non troppo ist aufwühlend, auch die lebendigen Tanzrhythmen im Scherzo offenbaren einen emotionalen Ausnahmezustand. Diese ebenso kraftvolle wie sensible Interpretation des Philharmonischen Streichquartetts verdient eine klare Empfehlung.
Corina Kolbe, 14.05.2022
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