Hortus/Klassik Center Hortus 204
(58 Min., k. A.)
Johann Sebastian Bach ins Zentrum eines programmatischen Beziehungsgeflechtes zu stellen ist meistens eine gute, fruchtbringende Idee: Bach selbst hat so manches vor seiner Zeit Entstandene reflektiert und in sein Schaffen eingebunden, und von ihm bzw. von seiner kompositorischen Hinterlassenschaft geht auch vieles aus, was in die Zukunft weiterwirkt. Im Falle des vorliegenden Albums stehen Choräle im Mittelpunkt: Bach hat das protestantische Liedgut umfassend rezipiert und sowohl für Chor als auch für Orgel immer wieder neu und kreativ gesetzt. Hier bilden seine Choralvorspiele für Orgel, welche ja oftmals die Kern-Aussage eines Kirchenliedes musikalisch versinnbildlichen, das Gerüst des Programms: Das in Weimar entstandene „Orgelbüchlein“ ist in puncto Wort-Ton-Bezug ein frühes Meisterwerk, Stücke daraus kommen mehrfach im Programm dieses Albums vor. Die Interpreten haben mit dem Ziel, solche Choralvorspiele neuerer bzw. neuer Musik mit direktem thematischem Bezug gegenüberzustellen, einerseits bestehendes Repertoire benutzt (so zum Beispiel Bernd Alois Zimmermanns Bratschen-Solo „Gelobet seist Du, Jesu Christ“), andererseits auch Werke bei zeitgenössischen Komponistinnen und Komponisten in Auftrag gegeben. So kommen Gorka Cuesta und Édith Canat de Chizy mit Fantasien über Orgelbüchlein-Choräle ins Spiel. Drittens fehlt auch das Element der Orgelimprovisation nicht – man kann es verstehen als Bindeglied zwischen der Praxis Bachs (seinen Choralbearbeitungen liegen häufig Improvisationen zugrunde) und derjenigen Loїc Malliés, der selbst als Interpret in der Tradition der modernen französischen Orgelimprovisation steht. Entsprechend überzeugend fällt seine Improvisation am Ende des Programms aus, in der er sämtliche zuvor erklungenen Choralweisen auf virtuose Weise zusammenfasst – sie ist der Höhepunkt einer musikalischen Reise, die immer wieder fasziniert und aufhorchen lässt, wenn auch im Detail nicht alles überzeugt: Bei einigen Choralvorspielen irritiert die Registrierung ein wenig, bei der für Orgel und Viola bearbeiteten „Trauermusik“ von Hindemith fehlt denn doch ein wenig der spezifische Klang des originalen Streichorchesters. Dennoch: ein mutiges, kreatives und interessantes, unterm Strich durchaus berührendes Projekt.
Michael Wersin, 30.04.2022
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