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N° 1354
20.04. - 01.05.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Richard Strauss, Robert Schumann

Melodramen

Isabelle Vogt, Lars Vogt

CAvi/Bertus AVI53204
(61 Min., 6/2018 & 6/2020)

Das Melodram für Sprechstimme und Klavier könnte man betrachten als eine reduzierte Form des Kunstliedes: Genau wie im Lied wird ein literarischer Text, der für sich genommen schon ein fertiges Ganzes ist, der Vertonung unterzogen. Anders als im Lied jedoch hat der Komponist zwar einen Klavierpart geschaffen, aber für die Textdeklamation keine Melodie und keinen Rhythmus beigesteuert. Und das genau ist die Herausforderung: Viel mehr noch als bei der Wiedergabe einer komponierten Gesangsstimme muss sich der Interpret bzw. die Interpretin des sprachgebundenen Parts hier als künstlerische Persönlichkeit offenbaren, denn sie hat ein hohes Maß an Freiheit in puncto Satzmelodie, Akzentuierung und Gewichtung der Worte, Stimmlage, Tonfall, Tempo, Affekt – und eben keine Kantilene als „Geländer“, das sie führt. Die 2002 geborene Isabelle Vogt hat es gewagt, sich diesem Genre aus der Perspektive einer Schauspielerin zu widmen und hat mit Richard Strauss‘ „Enoch Arden“ nebst zwei Melodramen von Robert Schumann gleich zu wirklich großen, anspruchsvollen Meisterstücken der Gattung gegriffen. Sie agiert mit einer bemerkenswerten Fülle rein stimmlicher sowie auch ausdruckstechnischer Mittel, sie ruft, schreit, flüstert, schmeichelt abwechslungsreich und beherrscht ihre junge Stimme in allen Lagen bemerkenswert gut. Mit der allgegenwärtigen Jugendlichkeit sowohl des Stimmklangs als auch der Deklamation schüttelt sie jeglichen Staub von den alten Texten. Mit dem Text von „Enoch Arden“, der nicht in ein Reimschema gefasst und weniger durch ein festgefügtes Versmaß bestimmt ist, kommt Isabelle Vogt besser zurecht als etwa mit Friedrich Hebbels Versen im „Heideknaben“: Hier stolpert der Zuhörer doch recht regelmäßig über unerwartete Akzente bzw. eine nicht immer dem Verständnis dienende Betonungsstruktur im Satzgefüge. Aber sei’s drum: Insgesamt hört man Isabelle Vogt sehr gern zu, und mit ihrem Vater am Klavier bildet sie ein wirklich sehr gut eingespieltes Team: Lars Vogt widmet sich den tendenziell fragmentarisch-situativ angelegten Klavierparts mit derselben punktgenauen Präzision und technischen Perfektion und arbeitet ihre übergreifenden Strukturen (etwa zu einzelnen Personen gehörende „Leitmotive“ und ihre Verknüpfungen) sehr anschaulich und überzeugend heraus. Somit darf dieses Familienprojekt mit Blick auf das Ergebnis als eine sehr gute Idee bezeichnet werden.

Michael Wersin, 16.04.2022


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