Gramola/Naxos 99243
(113 Min., k. A. )
Ja, mei. Zuletzt, es ist schon einige Zeit her, da hat es Angelika Kirchschlager mit Walter Berry und Heinz Zednik getan: Wienerlieder gar nicht opernsängerhaft, aber sehr gemütvoll richtig aus Herkunft und Lebensart heraus gesungen. Und trotzdem zur höheren Vokalkunst veredelt, immer auf dem schmalen Grat zum herben Volksgut und mit einem letzten Gran Natürlichkeit als Restsüße. Das Ergebnis: ein „gemischter Satz“. So heißt in Wien eine Weinart aus bis zu zwanzig weißen oder roten Rebsorten, die gemischt im Weingarten ausgepflanzt und gemeinsam gelesen, gekeltert und vergoren werden. Das lässt die Zunge schnalzen – und als Alben-Titel auch die Ohren schlackern.
Doch ist es gar nicht so leicht, hier die richtige Mischung zwischen Laminat und echter Gemütsfülle zu finden. Prachtbass Günther Groissböck ist zwar aus Niederösterreich und längst auf den Opernbühnen der Welt zu Hause. Aber er hat in Wien studiert und sich das lokale Idiom ganz wunderbar in all seinen, gern auch abgefeimten Zwischentönen anverwandelt. Zudem kann er mit seinen tiefen Lagen gurren, das tönt als genussvoll knorriges Erotikon zu Kontragitarre, Klarinette, Knöpferlharmonika und Geigen. Denn die Philharmonia Schrammeln, tönen viel edler als in der Wiener Touristikwirklichkeit.
Nur leider, und deswegen bleibt der „Gemischte Satz“ ein Mix unterschiedlicher Qualität, singt hier auch der unangenehm direkte, keifend helle, mittelgustiöse Tenor Karl-Michael Ebner mit. Und die zweite CD ist ganz und gar instrumental, dafür liest der unvermeidliche Wien-Rezitator Christoph Wagner-Trenkwitz die einschlägig bekannten Wiener-Literatur-Pralinés.
Matthias Siehler, 05.02.2022
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