Einhüllende Wagnerismen, Jazz-Standards im sanften Dämmerzustand und traumartige, sich auch aus einem Strudel von Pizzicati, Glissandi und Flageoletts herausschälende Gebilde – all das sind im Groben die musikalischen Substanzen, aus denen sich die Werke zusammensetzen, die das französische Quatuor Ébène jetzt für seine Ode auf die Nacht ausgewählt hat. Und herausgekommen ist ein Album, das einen einlädt, in die dunkelste und scheinbar stillste Zeit des Tages hineinzulauschen und -zuhorchen. Von schauerlich schön über geheimnisvoll intim bis hin zu geisterhaft aufwühlend geht es in den dafür eingespielten Werken zu. Und wenn die Nacht das Thema ist, dann darf natürlich Arnold Schönbergs Streichsextett „Verklärte Nacht“ nicht fehlen, das mit seinem Wagner-Melos, aber auch mit all den schillernden Farben eines der Meisterwerke des Fin de Siècle ist.
Zusammen mit den Gästen Nicolas Altstaedt (Violoncello) und Antoine Tamestit (Bratsche) feiert das Quatuor Ébène auch die ultranervös gewordene Tonalität mit einem seismographischen Feinsinn de Luxe. Überhaupt ist dieses französische Musikerteam (Altstaedt hat französische Wurzeln) hellwach, wenn es um die filigransten Nuancen auch im Dynamischen geht. Was sich ebenfalls bei dem 1977 uraufgeführten Streichquartett „Ainsi la nuit“ von Henri Dutilleux auszahlt. Als Scharnier bzw. Brücke zwischen diesen beiden Klassikern der Moderne fungiert dann die etwas andere Jazz-Suite „Night Bridge“, die Quatuor Ébène-Cellist Raphaël Merlin anhand vier Jazz-Klassiker komponiert hat. Dabei verschwimmen die Ohrwürmer „Moon River”, „Night and Day“, „Stella by Starlight“ und „’Round Midnight” oftmals bis ins abstrakt Konturlose – um dann mit apartem Melos alle Nachtschwärmer an die Hand zu nehmen.

Guido Fischer, 18.12.2021

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