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N° 1354
20. - 29.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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In the Year 2021. Looking back at 40 Years of JARO music

Angelité, Huun-Huur-Tu, Jasper van’t Hof, Moscow Art Trio, Magma, Piirpauke u.a.

Jaro 4359-2
(222 Min., 1981-2021) 3 CDs

Folkloristischer Reggae-Jazz aus Finnland! Oberton-Sänger aus der Sowjetrepublik Tuva! Proto-Afro-Techno aus den Niederlanden! Es gibt wenige Plattenfirmen, die schon so lange kontinuierlich im Geschäft sind, und keine, die über eine derart wilde Künstlermischung verfügen dürfte wie das in Bremen beheimatete Label Jaro. 2021 kann das von dem studierten Sozialarbeiter und passionierten Welterkunder Ulrich Balß gegründete Unternehmen seinen 40. Geburtstag feiern. Als Geschenk für sich und die Hörer kommt nun eine Dreifach-CD heraus, die mit dem schnöden Wort „Sampler“ nur unzureichend beschrieben ist.
Bei „In the Year 2021. Looking back at 40 Years of JARO music“ handelt es sich vielmehr um eine Zeitreise, anhand derer man sich die Entwicklung verschiedener heute völlig selbstverständlicher Genre-Durchmischungen vor Ohren halten kann. Musik, für deren Bezeichnung man zum Zeitpunkt ihres Entstehens noch nach Worten rang. Das galt 1981 beispielsweise für die finnische Band Piirpauke um den Multiinstrumentalisten Sakari Kukko, mit der sowohl die Jubiläums-Compilation als auch die Veröffentlichungshistorie von Jaro beginnt. Jamaikanisches, Jazzrock, aber auch Volksmusikhaftes findet sich in Piirpaukes „Swedish Reggae“. Ethno-Jazz würde man diesen Mix heute vermutlich nennen (obwohl das auch nicht ganz zutreffend wäre), allerdings wird dieser Begriff erst ab 1990 flächendeckend gebraucht.
Und so zeigt das Dreifach-Album, wie oft Jaro in seinem Entdeckungsreichtum der Zeit voraus war. Etwa im Fall von Jasper van’t Hofs Projekt „Pili Pili“, das 1984 mit seiner Melange aus kurzen Jazz-Klaviermotiven, afrikanischer Percussion und einem hypnotischen Beat in der alternativen Partyszene für Tanz-Exzesse sorgte. Wenn man nun das über 15-minütige Signaturstück „Pili Pili“ hört, vernimmt man bereits Anklänge von technoiden Trance-Elementen, die frühestens eine Dekade später zum Allgemeingut wurden.
Weltweit bekannt wurde Jaro durch seine Entdeckungen außerhalb der westlichen Wahrnehmungsperipherie. Zu nennen wären da der bulgarische Frauenchor Angelité mit seinen mikrotonal schwebenden Stimmen oder die sibirischen Kehlkopfsänger von Huun-Huur-Tu. Diese fehlen in den dreieinhalb Stunden der Anthologie genauso wenig wie das Moscow Art Trio, der irisierende Chorgesang der sagenumwobenen französischen Progrock-Band Magma, der 2020 verstorbene japanische Trompeter Toshinori Kondo oder Rachelle Garniez’ Liebeslied an Jean Claude van Damme.
Verbindend in diesem irrwitzigen Sammelsurium aus Archaischem, Dadaeskem und Jazz-Verwandtem osteuropäischer, orientalischer oder amerikanischer Provenienz ist der Mut zum Unkonventionellen und Verrückten. Nicht ohne Grund endet das Ganze mit einer Version des Sting-Hits „Fields of Gold“ des Pianisten Johannes Cernota und des Cellisten Fabian Boreck: Jaro-Chef Balß hat in 40 Jahren wahrlich viele Schätze in weit entfernten Feldern gehoben.

Josef Engels, 06.11.2021


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