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N° 1354
20. - 29.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Blood Red

Espoo Big Band

Galileo Music/Galileo GMC094
(69 Min., 6/2020)

Orhan Pamuks Roman „Rot ist mein Name“ handelt unter anderem von Buchmalern einer Werkstatt, die bei einer Auftragsarbeit für ein illustriertes Buch die traditionelle orientalische Malerei um die perspektivische Darstellung und die detailreiche Individualisierung der Personen bereichern und deshalb angefeindet werden. Der finnische Komponist und Schlagzeuger Mikko Hassinen beschreitet den umgekehrten Weg: Er reichert seine in der europäischen Jazztradition fußenden Kompositionen für die Espoo Big Band um orientalische Elemente.
Sechs Episoden aus dem 1998 veröffentlichter Roman des Nobelpreisträgers regten Hassinen zu Kompositionen an. Dabei geht es – so er selbst – nicht darum, die Romanhandlung oder einzelne Charaktere zu beschreiben. Wohl aber reflektiere seine Musik „die Gefühle, die von diesem Roman hervorgerufen werden“. Folglich deutet er in „I, Satan“ zwar die verschlungene Melodieführung der orientalischen Musik an, bleibt dann aber bei den Konventionen des europäischen Big Band Jazz. In „Istanbul“ leitet eine O-Ton-Aufnahme von Straßengeräuschen eine federnde Big-Band-Nummer ein, und in „Siro Efendi (I Am A Corpse)“ dominieren über einer repetitiven Bassfigur langsame, mystische Klänge, wobei Sprengsel der Elektrogitarre und orientalische Melodien die morbide Stimmung verstärken.
Die durch den Roman vorgegebene Rückkehr des Staatsangestellten Kara Efendi aus den Ostprovinzen und seine Begegnung mit der Jugendliebe Şeküre gestaltet Hassinen in „I Am Called Kara / Seküre“ als Romanze, in die sich zwischenzeitlich klagend-bittere Nebentöne mischen. In „Blood Red“ spiegeln sich die Turbulenzen von Liebesgeschichte und den Angriffen auf die Malerei. In Pamuks Vorlage wird das Buch nicht fertiggestellt. Hassinen schafft dagegen mit „I Am A Gold Coin“, also eine Münze, deren Verkehrswert höher als der Materialwert ist, ein dunkel stampfendes Finale. Das Album ist weniger revolutionär als es die Zeichnungen für das Buch im Roman sind, denn es schafft keine westlich-östliche Grenzüberschreitung. Wohl aber bieten die sechs Titel viel Gelegenheit, sich beim Hören Geschichten zu den Klängen auszudenken.

Werner Stiefele, 30.10.2021


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