Man muss Louise Farrenc (1804–1875) nicht kennen. Man sollte es aber. Und nicht nur, weil sie eine Komponistin ist, von der es im 19. Jahrhundert nicht wenige gab – aber selten entwickelten sie sich so professionell. Zu Hause in Frankreich wird sie gerade, so wie auch die erstaunlich spannenden Malerinnen ihrer Epoche, vehement wiederentdeckt. Zur Farrenc-Vorkämpferin hat sich geschickter Weise Laurence Equilbey emporgeschwungen. Nicht alles, was die anpackt, klingt erstklassig. Hier aber ist die Chorleiterin, Dirigentin und Chefin des Insula Orchestra mit ihrer Alten-Musik-Bande am richtig tönenden Fleck. Obwohl cpo natürlich schon längst als Raritätenlabel vorgeprescht war, ist es toll, dass sich jetzt auch ein Major dieser spannenden Persönlichkeit annimmt. Auch wenn die Anton-Reicha-Schülerin in ihrem berühmten Porträt mit Spitzenkragen auf dem Cover eher brav anmutet, so war sie nicht nur als erste Klavierprofessorin am Pariser Conservatoire eine wagemutige Person. Sie komponierte im mal losstürmenden, mal versonnenen romantischen Stil ihrer Zeit, verarbeitete aber dabei pointiert ihre Kenntnisse der älteren Musik. Drei Sinfonien hat sie geschrieben, die ersten zwei, von 1842 und 1845, sind auf diesem lohnenden Album in direkter, animierender Klanglichkeit versammelt. Equilbey bildet plastisch bogenreiche Entwicklungen aus, befeuert besonders das crescendierende Allegro-assai-Finale der erste Sinfonie in c-Moll. Liebevoll modelliert werden auch die Bläserpartien, die der mit einem Flötisten verheirateten Farrenc immer ein besonderes Anliegen waren. Bunt und abrupt sind hier die Kontraste, lustvoll probiert sich da eine abenteuerlustige, aber trotzdem die Konventionsgrenzen ihrer Epoche wahrende Kreativnatur aus. Und ganz klar ist: Louise Farrenc muss keinesfalls auf einem „Komponistinnen“-Ticket reisen. Ihre Musik steht für sich selbst.

Matthias Siehler, 28.08.2021

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