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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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EM.PERIENCE

Fabia Mantwill

XJAZZ Music/Bertus-Membran XJMCD21001
(60 Min., 10/2020)

Lange hat man nicht mehr ein Debüt gehört, das einen derart umhaut. Das mag zunächst daran liegen, wie sicher und fantasievoll die 1993 in Berlin geborene Fabia Mantwill hier aus einer Streichersektion, einer Jazz-Big-Band und diversen hochkarätigen Solisten eine flexible, sich chamäleonhaft an die verschiedensten Hintergründe anpassende Großformation schmiedet. Und natürlich erstaunt die Vielzahl der Talente, die Mantwill an den Tag legt: Sie ist sowohl eine punktgenaue Sängerin und Saxofonistin wie eine bemerkenswerte Komponistin und Arrangeurin.
Was aber am meisten an „EM.PERIENCE“ berückt, ist die unglaubliche Weltläufigkeit. Man muss gar nicht wissen, dass die Orchesterleiterin in den vergangenen zehn Jahren kreuz und quer über den Globus gereist ist, unter anderem in Finnland studierte oder von Vince Mendoza dazu eingeladen wurde, für das niederländische Metropole Orkest zu schreiben. Man hört es.
Jedes der acht Stücke auf dem Album ist gewissermaßen Teil einer akustischen Weltreise. „Ophelia“, die orchestrale Bearbeitung eines Songs der Sängerin Becca Stevens, beginnt keltisch und theatralisch. So wie das von Mantwill gesungene Lied seine Erzählperspektive ändert, verwandelt sich dann aber auch schlagartig der stilistische Bezugsrahmen: Gil Evans klingt plötzlich durch und ein gewisses afrikanisches Element, das sich in einer prägnanten Marimba-Figur manifestiert. Für dieses Arrangement erhielt Mantwill zu Recht den jüngst erstmalig verliehenen Deutschen Jazzpreis.
Das darauffolgende „Pjujeck“, solistisch veredelt von Nils Landgren an der Posaune und Kurt Rosenwinkel an der erratisch keuchenden Gitarre, inszeniert ein imaginäres Treffen zwischen dem frühen James Brown und dem Third-Stream-Initiator Gunther Schuller. Lange hält es die 24-köpfige Formation nicht in den USA: Von Tansania („Sasa Ndio Sasa“) geht es über Schottland („Erwachen“) und die Serengeti („Kumbukumbu“) in die Schweiz („Mélodie de la rivière“) und schließlich nach Nepal („Festival at High Noon“).
Dabei zeigt sich Mantwill nicht als Touristin. Sie macht keine naive weltmusikalischen Instagram-Schnappschüsse, sondern bleibt immer ganz bei sich und ihrem Background aus europäischer Klassik und einer Jazzästhetik, die von „Birth of the Cool“ und Gerry Mulligan genauso zehrt wie von Maria Schneider oder garstigen Rockriffs (etwa im Schlussstück, in dem mit Saxofonist Ben Wendel ein weiterer Gaststar auftritt). Und auch wenn sie es liebt, mit überraschenden Kontrasten oder ungewöhnlichen Klangfarben zu experimentieren – auf der Aufnahme sind unter anderem auch virtuose Soli von Bratsche (Maria Reich) und Altquerflöte (Tilmann Dehnhard) zu hören – so wirkt bei Mantwill nichts mutwillig kompliziert oder artifiziell. Was für eine global gute Em- und Experience!

Josef Engels, 26.06.2021


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