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N° 1354
20.04. - 01.05.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Benedetto Ferrari

Musiche varie

Philippe Jarrousky, Ensemble Artaserse

La Musica/hm LMU 026
(64 Min., 10 & 12/2002)

Im Jahre 2002 schon fand dieses spektakuläre Aufnahmeprojekt statt, aber es ist eine goldrichtige Entscheidung des Labels, diese Produktion erneut auf den Markt zu bringen. Die hier repräsentierte Sammlung generalbassbegleiteter zumeist weltlicher Monodien stammt aus dem Jahre 1633: Drei Bände mit „Musiche Varie a voce sola“ legte der norditalienische Theorbist und Komponist Benedetto Ferrari (1603–1681) damals als Druckausgaben vor. Jeder, der schon mit Musik dieser Art zu tun hatte, weiß: Außer einer mehr oder weniger ausführlich bezifferten Bassstimme und dem mehr oder weniger ornamentiert notierten Vokalsolo findet man in den Noten nichts vor. Entsprechend hoch ist der Eigenanteil an dem, was am Ende tatsächlich erklingt. Die Besetzung der Continuoebene, also die wechselnde Zusammenstellung von Streichbass und diversen Akkordinstrumenten, gehört Stück für Stück zu den prinzipiell zu treffenden Entscheidungen. Das Ensemble Artaserse operiert diesbezüglich mit Cembalo und Orgel im Wechsel und Gambe, Harfe und Theorbe. Vereinbart werden müssen die Rahmenbedingungen des Improvisierens zwischen bloß akkordischem und tendenziell obligatem Spiel. Hierbei spielt die „Performance“ des Gesangssolisten eine wesentliche Rolle: Welche Ornamente und Diminutionen bringt er auf Basis des allenfalls eine Grundlage darstellenden Notentextes an? Auf welche Weise klinkt sich die Continuo-Gruppe unterstützend und ergänzend ein? Wer die Noten des Originaldrucks – sie sind bei IMSLP verfügbar – zur Hand nimmt, wird unmittelbar Zeuge der vielfältigen kreativen Leistungen, durch die solche Musik erst zum Leben erweckt wird. Und in diesem Sinne tat sich 2002 für diese Produktion ein geradezu ideales Ensemble zusammen: Der Countertenor Philippe Jarrousky, stimmlich frisch und unverbraucht, produziert einen endlosen Strom eleganter, sprachaffiner, organisch verzierter Kantilenen und macht auch über den zahllosen Wiederholungen der vielen Ciaccona- und Lamento-Bässe jeden einzelnen Durchgang zum Erlebnis. Die Continuo-Gruppe begleitet den fulminant disponierten Solisten mit höchster Aufmerksamkeit so kreativ und abwechslungsreich, wie man es sich nur wünschen kann. Vor allem an solchen Produktionen zeigen sich die Früchte der historisierenden Aufführungspraxis: Wie sollte man solche Partituren zum Erklingen bringen, wenn es nicht mittlerweile eine informierte Spiel- und Singpraxis gäbe, die der unverzichtbare Schlüssel ist, um den mageren Notentext erst zum Leben zu erwecken?

Michael Wersin, 12.06.2021


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