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N° 1354
20. - 28.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Pierre Boulez

Anthèmes I & II, Dialogue de lʼombre double

Carolin Widmann, Jörg Widmann, SWR Experimentalstudio

NEOS/harmonia mundi NEOS 12104
(48 Min., 9/2016, 5/2017, 8/2019) SACD

Fast ein halbes Jahrhundert lang hat Pierre Boulez komponiert. Und wenngleich sein im Grunde überschaubares Schaffen für einen enormen kritischen Geist steht, der viele Werke oft neu „befragte“, verbindet es eines besonders miteinander: Es ist diese durch und durch poetische Ausstrahlung mit schimmernden und subtil leuchtenden Klangfarben, wie sie Boulez vor allem bei Claude Debussy und Alban Berg fand. Und so hat er immer wieder Stücke geschrieben, die man tatsächlich einfach nur als „wunderschöne Musik“ bezeichnen kann. Mit diesen Worten hat auch die Geigerin Carolin Widmann einmal das rund 20-minütige „Anthèmes II“ für Solo-Violine und Live-Elektronik beschrieben. Von einem unbändigen Bewegungsdrang ist dieses Stück beseelt. Zugleich entwickelt sich auch aus all den Trillerkaskaden ein magisch dauerphosphoreszierendes Klanggespräch, das Widmann mit sich selbst führt bzw. mit ihrer originalen Violinstimme in Echtzeit im Computer auslöst. Und Widmann gelingt dies mit einer schier schwere- und mühelos wirkenden Eleganz und Artistik, die einmal mehr ihren Ausnahmerang auch im Umgang mit der zeitgenössischen Musik deutlich macht. Zudem sollten alle Geigenwettbewerbs-Kandidaten auch von Widmanns Aufnahme von „Anthèmes I“ lieber die Finger lassen. Denn auch bei diesem 1991 als Pflichtstück für einen Pariser Violinwettbewerb geschriebenen Stück, das die rein akustische Steilvorlage für „Anthèmes II“ bildete, trumpft sie derart auf, dass alle hoffnungsfrohen Talente eigentlich desillusioniert ihr Instrument zur Seite legen können. Von einer Gipfelinterpretation muss man aber selbstverständlich ebenfalls im Fall von Carolins Bruder Jörg Widmann sprechen. Dank der phänomenalen Klangregie von Michael Acker (SWR Experimentalstudio) verwandelt der Boulezʼ „Dialogue de l´ombre double“ für Klarinette und Elektronik in eine räumlich anmutende, harlekineske Musiktheater-Szene – die außerdem wunderschön klingt.

Guido Fischer, 12.06.2021


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