In „Another Land“ ist alles ein klein wenig anders. Dort haben die kurzen Töne die Vorherrschaft übernommen, und die pulsieren so intensiv und koordiniert, dass ein dichter Teppich aus Tontupfern entsteht. Dave Holland, im Hauptberuf Kontrabassist von Weltklasse, drückt bei diesem Ausflug die Saiten eines Elektrobasses – von ihm als Bassgitarre bezeichnet – ebenso feinfühlig und kraftvoll wie die – wenn man im Bild bleibt – mannshohen Bassgeige. Seine Partner, der Gitarrist Kevin Eubanks und der Schlagzeuger Obed Calvaire, wandern durch neun Stücke ähnlich hippelig und kurzatmig wie Holland. Dessen Name führt zwar auf dem schmalen Rücken der CD-Hülle die Reihe der Musiker an – zweifelsohne ist er zwar der Bekannteste unter ihnen, aber keinesfalls ein dominanter Bandleader.
In diesem Trio gibt es keinen Chef und keine Zuträger. Wohl aber eine unendlich harmonische Atmosphäre, wobei alle drei so tief in vielen Spielarten von Jazz, Rock und Funk wurzeln, dass sich die Ideenpracht zu einem weiten Horizont mit Bergen, Tälern, Flüssen, Wiesen, Wäldern und aufspritzender Lava verbindet. Was ist dabei improvisiert? Was komponiert? Wo folgt das Trio der Intuition, wo abgesprochenen Abläufen? Für je vier Titel zeichnen Eubanks und Holland verantwortlich, und für „Gentle Warrior“ Calvaire. Wie man beim Gehen sanft auf und ab wippt, nähern sich die fein ausgezirkelten Stücke ihrem Ziel. Zu guter Letzt kehrt das Trio mit „Bring It Back Home“ in ein Land zwischen Swing und Blues. Die sind – wie könnte es anders sein? – so eng umschlossen wie die Wurzeln zweier ineinander verwachsener Bäume am Wegrand.

Werner Stiefele, 05.06.2021

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