Chateau de Versailles/Note 1 CVS033
(78 Min., 6/2020)
Die seltsam melancholische Künstlichkeit, die das Stabat Mater des jung verstorbenen Giovanni Battista Pergolesi ausstrahlt, hat nicht zu Unrecht diese nur 30 Minuten kurze marianische Beweinung zu einer der bis heute beliebtesten Kirchenkompositionen avancieren lassen. Das manieriert verschraubte und gleichzeitig klarlinige Sakralstück des neapolitanischen Barock findet sich in seiner artifiziellen Schmerzensdarstellung noch einmal gesteigert, wenn die beiden Solostimmen (einen Chor gibt es ja nicht), früher natürlich nur als Soprane bezeichnet, heute von zwei Countertenören übernommen werden. So geschah es diesen Sommer für zwei Konzerte in der Schlosskapelle zu Versailles. Da standen sich also – so wie bei der französischen Erstaufführung mit zwei Kastraten – der 40-jährige italienische Altus Filippo Mineccia und der fast halb so alte venezolanische Sopranist Samuel Mariño unter dem kalten Marmorprunk gegenüber und besangen so konzentriert wie zartfühlend die Tränen der Gottesmutter. Der eine durchaus auch mit herbem Tonfall, geerdet, streng, der andere hell und sonnig, wie ein auf Erden herabgestiegener Cherub mit sanftem Vibrato. Das kontrastiert so schön, gelingt in präzis ausformulierter musikalischer Rhetorik wie es auch in den leider nur wenigen Unisono-Stellen der Komposition betörend verschmilzt. Das Programm, dezent und in feinsten Pianissimi begleitet vom jungen Orchestre de l’Opéra Royal unter der hier die Orgel bedienenden Cembalistin Marie Van Rhijn, wird neben einem Instrumentalstück von Antonio Vivaldi ergänzt um wiederum dessen eben venezianisch üppigeres Stabat Mater von 1712, das zur verhalten ausgeschrittenen Vokalbühne für Miniccia wird. Samuel Mariño darf hingegen noch einmal in Vivaldis Solomotette „In fuore iustissimae irae“ jubilieren und glänzen.
Matthias Siehler, 01.05.2021
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