DG/Universal 4839210
(60 Min., 7/2020)
Nein, man kann wirklich nicht sagen, dass Elīna Garanča bisher als Liedsängerin aufgefallen ist, obwohl der lettische Mezzostar nach eigenem Bekunden seit mindestens zehn Jahren ebenso viele Programme weltweit und sogar auch schon bei der Schubertiade und in Salzburg vorgestellt hat. Doch jetzt hat die 44-Jährige die relative Ruhe des Corona-Sommers genutzt, und sich in einem Berliner Studio zwei ihrer über die Jahre meisterprobten Liedkomponisten gewidmet. Das Ergebnis ist das pure Vergnügen. Ja, man könnte ein paar Vokalverschleifungen konstatieren, aber insgesamt ist Garančas Deutsch sehr gut, ohne überprononciert zu wirken. Sie weiß, was sie singt und sie gestaltet diese Texte lustvoll. Mit der Fülle, der üppigen Tiefe und den schön verblendeten Farben ihres an sich schlanken, nur wenig metallischen Mezzos verlässt sie sich dabei freilich auch auf vokalen Wohllaut, besonders in der Auswahl von 13 Brahms-Liedern, die von zwei seiner bekanntesten Titel eingerahmt werden: „Liebestreu“ und „Von ewiger Liebe“. Besonders letzteren singt sie mit ekstatischer Emphase und wohlgerundeter Stimme auch im Forte. Malcolm Martineau begleitet diskret, gekonnt, aber auch mit Distinktion. Das gilt mehr noch für den Schumann-Zyklus „Frauenliebe und -leben“. Die gerne kritisierten Chamisso-Texte versteht Garanča als souveräne Entscheidung einer emanzipierten Frau, Gattin und Mutter zur Hingabe. Subtil und kritisch nachhorchend singt sie das, aber eben auch ganz offenherzig und gefühlvoll. So leuchtet sie vielfältige Seelenregungen aus, gibt Emotionen Klang. Man merkt, wie sehr Elīna Garanča diese kleine Form Vergnügen bereitet. Hier hat sich keine Operndiva verirrt, hier ist eine Meisterin zu Hause. Gern mehr!
Matthias Siehler, 14.11.2020
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