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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Budapest Concert

Keith Jarrett

ECM/Universal 0730194
(92 Min., 7/2016) 2 CDs

Mit einer besinnlichen Version des Jazzklassikers „Answer Me“ beschloss Keith Jarrett am 3. Juli 2016 sein Konzert in der Béla Bartók National Concert Hall in Budapest, und das Publikum reagierte begeistert auf die zarten Klänge der letzten Takte. Hinter sich hatte es eine rund eineinhalbstündige Intensivreise durch den Jarrett’schen Klang-Kosmos, deren Abschnitte auf der Doppeldisc – mit Ausnahme der drei Schlusstitel – nur mit römischen Ziffern bezeichnet sind.
Womit er uns wohl überraschen wird? Diese Frage müssen sich die Besucher von Jarretts Solokonzerten mit steter Regelmäßigkeit stellen. Der Pianist spielt keine Programme, und wenn er die Bühne betritt, hofft er, auch keine vorgefertigten Themen abspulen zu müssen. Er lässt den Gedanken und Fingern die Freiheit, sich nach Gutdünken über die Tastatur zu bewegen und vertraut auf seine Erfahrungs- und Einfallskraft, dass in den nächsten Minuten Stücke mit spürbaren Strukturen, wiederkehrenden Elementen, Reflexionen über das Gespielte und neuen Einfällen entstehen.
Das hat mal wieder ganz hervorragend geklappt, wobei sich die Bewusstseins- und Spielzustände grob gruppieren lassen. Harsche, dunkle Bassfiguren und rasante Läufe formen sich zu einem eindringlichen Part I. Wie Abendglocken wirken dagegen die Anfangsakkorde des von Warten und Entscheiden geprägten Part II. In Part III lässt sich Jarrett Variationen einer kleinen, anfangs skizzierten Melodie einfallen und scheint (Äußerungen wie „Hu“ oder „Aaah“ deuten darauf hin) manchmal selbst verblüfft, wohin ihn Finger und Fantasie führen. Als Antwort startet er in Part IV seine kraftvolle Ostinato-Maschine.
Wahrscheinlich spiegelt diese erste Disc die erste Konzerthälfte, denn mit Part V auf der zweiten Scheibe hat sich der Pianist in einen romantischen, melodienselig schwelgenden Träumer verwandelt. Er mengt in Part VI Boogie und Bebop, wird in Part VII wieder zum Melodienzauberer und in Part VIII bis X setzt er dichte Cluster gegen kurze Melodiesprengsel, bevor er in Part XI wieder zum romantischen Träumer wird. Der Abschied aus dem Konzert verlangt seinen Hörern weniger ab als der Einstieg: Eine Boogie-Variation, eine nachdenkliche Version von „It’s A Lonesome Old Town“ und eine besinnliche von „Answer Me“ beschlossen den Abend.
Nach diesem Triumph der Vielfalt dann die traurige Nachricht: Am 21. Oktober gab Keith Jarrett über die New York Times bekannt, dass er nie wieder auftreten wird. Nach zwei Schlaganfällen im Februar und Mai 2018 könne er sich inzwischen zwar wieder mit Mühe fortbewegen, aber nicht mehr Klavier spielen – auch nicht einhändig. Seine Fans werden also darauf angewiesen sein, was das Archiv der unveröffentlichten Konzertmitschnitte bereithält. Vorerst bleibt nur eines: Keith Jarrett für jahrzehntlanges, wunderbares Musizieren zu danken.

Werner Stiefele, 31.10.2020


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