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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Bright Lights

Nils Wogram

NWog Records/Edel 033
(34 Min., 5/2020)

Nach einer halben Stunde und vier Minuten ist alles gesagt. Oder besser: geblasen. Nils Wogram hat gewagt, was vor ihm außer Albert Mangelsdorff (1928–2005) kaum ein Posaunist riskierte: eine reine, unbegleitete Soloplatte aufzunehmen. Das Ergebnis ist Posaunenkunst vom Feinsten, die sich von den Solowerken Mangelsdorffs einerseits absetzt und andererseits dessen gewaltigen Erkenntnisschatz über die Klangmöglichkeiten des Instruments nutzt.
Mangelsdorff brillierte auf seinen Soloplatten mit dem mehrstimmigen Spiel, das er 1972 erstmals im Kulturprogramm zur Münchner Olympiade vorgestellt und hernach zur einzigartigen Meisterschaft fortentwickelt hatte, indem er große Passagen der jeweiligen Stücke mehrstimmig spielte. Wogram geht nicht so weit. Sein Schwerpunkt bleibt das einstimmige Spiel, wobei er an die langen Melodielinien und den eleganten Klang anknüpft, mit denen sich unter anderem Frank Rosolino in den Jazzanalen verewigt hat. Zudem zählen zu seinem Ausdrucksrepertoire neben den Multiphonics auch quietschende, piepsende oder grummelnde Passagen.
„Lullaby Part I“ und „Lullaby Paart II“ umrahmen die übrigen sechs Nummern mit einer angenehmen, in der Tongebung leicht verhangenen Variationen einer Melodie einerseits und – als Finale der Disc – einem dezent zwischen Tango und Calypso hüpfenden zweiten Wiegenlied, das mehrstimmige Passagen und klare, helle Melodien vereint. Vergnügt lässt er die Töne in „Levity“ (zu Deutsch: Leichtfertigkeit) aus der Posaune tanzen und auf einem angedeutet mehrstimmigen Boden landen. Zwischendurch hechelt das Instrument auch mal tonlos – bei solcher Tonhüpferei ein nettes Zeichen von Selbstironie. „A Humbled Man“ (Ein bescheidener Mann) wirkt wie eine nicht weiter benannte Hommage an Mangelsdorff – der Frankfurter machte nie Aufhebens um seine Meisterschaft, an die Wogram hier mit mehrstimmigen Passagen erinnert und diese ungewöhnliche Klangwelt noch ausbaut. Ins fröhliche „Hello Again“ mengt er Mehrstimmiges so organisch ins Einzeltonspiel, wie einst Mangelsdorff die klaren Töne in die mehrstimmigen mischte.
Unter New-York-Touristen zählt es zu den (allseits bekannten) „Geheimtipps“, mit der Fähre für einen Token nach Staten Island zu schippern: Glattes Wasser, hin und wieder ein Signalhorn und eine entsprechend ausgeruhte Stimmung prägen auch Wograms „Trip To Staten Island“. Mit „Jammin“ kommt die Experimentierfreude zurück: Mouth-Percussion, Einstimmigkeit, Mehrstimmigkeit, hippelige Passagen und Obertongesang sorgen in diesem Schaustück für Wograms Erfindungsreichtum für Abwechslung. „The Beauty Of Odds“ (Die Schönheit der Widrigkeiten) wirkt zunächst wie ein Frage-Antwort-Spiel von einstimmigem Vorsänger und mehrstimmiger Gemeinde. Zwischendurch kehrt sich das Verhältnis um, aber dann bestimmt wieder der Einzelton. Nach all dem nur ein Fazit: Wograms Risikobereitschaft hat sich gelohnt. Der Endvierziger hat mit „Bright Lights“ ein exzellentes, eigenständiges, Maßstäbe setzendes Posaunenalbum herausgebracht.

Werner Stiefele, 24.10.2020


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