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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Eduard Erdmann, Artur Schnabel

The happiest years

Judith Ingolfsson

Genuin/Note 1 GEN 20711
(65 Min., 6/2019)

Zwei CDs mit Musik für Violine solo, verbunden durch einen gemeinsamen Programmpunkt: die Sonate für Violine solo des livländischen Komponisten und Pianisten Eduard Erdmann (1896–1958), die bisher wohl als weitgehend unbekanntes Stück gelten musste. Lucas Brunnert, der sein Programm schon 2014 aufnahm, darf seine kraftvolle, zupackende, teils gerade zu ruppige Version dieser fesselnden Sonate als Weltersteinspielung bezeichnen. Judith Ingolfsson folgt ihm 2019 mit einer streckenweise zarteren, eleganteren Interpretation, die im Vergleich mehr die unteren dynamischen Bereiche auslotet.
Brunnert kombiniert die Erdmann-Sonate mit zwei weiteren praktisch unbekannten Werken, die für diese CD ebenfalls erstmals eingespielt wurden: Es handelt sich um das „Präludium für Violine allein op. 11“ des Schlesiers Edmund von Borck (1906–1944) und um die „Phantasie für Geige allein“ von Heinz Schubert (1908–1945), einem Hausegger- und Haas-Schüler, der sich mit seinem Schaffen an der Musik von Heinrich Kaminski orientierte. Biografische Abrisse im insgesamt gut ausgestatteten Beiheft geben schlaglichtartig Einblick in die Erfahrungshorizonte der drei unbekannten Meister aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ein kurzer Überblick über die Literatur für Violine solo ordnet überdies die beiden anderen Werke dieser CD (Bachs zweite Solosonate in a BWV 1003 und Hindemiths Solosonate op. 31,2) in den Gesamtzusammenhang ein.
In dem Überblickstext im Beiheft zur Brunnert-CD wird außerdem auf die Violin-Solosonate des Pianisten Artur Schnabel (1882–1951) verwiesen, der mit Eduard Erdmann befreundet war. Dieses „monumentale, kompromisslos moderne“ sowie „schwindelerregend anspruchsvolle“ Werk, dem Geiger Carl Flesch gewidmet, hat sich Judith Ingolfsson als einzigen Konterpart zur Solosonate von Erdmann für ihr Programm ausgesucht. In der Tat: Die atonale, fast 50 Minuten lange Sonate ist eine Tour de Force nicht nur für den Hörer, sondern zweifellos auch für den Spieler. Ingolfsson meistert sie mit bemerkenswerter Ruhe bei gleichzeitig ebenso bemerkenswerter Klangschönheit und Expressivität.
Wer also einen Überblick über das Violin-solo-Repertoire mit Schwerpunkt 20. Jahrhundert sucht, der gönne sich kurzerhand beide CDs. Ingolfsson und Brunnert sind sicher zwei sehr verschiedene Interpreten: Ruhig und geschmeidig im Tonfall die eine, impulsiv und direkt im Zugriff auf die Musik der andere. Aber sie ergänzen sich wunderbar vor dem Horizont des vorgestellten Repertoires, dass sich nur im Fall der Erdmann-Sonate – und da zum Vorteil und Gewinn für die Hörerschaft – überschneidet.

Michael Wersin, 11.07.2020


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