Hyperion/Note 1 CDA68313
(71 Min., 2/2019 & 7/2019)
Düster und bedrohlich beginnt der erste Satz von Dmitri Schostakowitschs Violinkonzert Nr. 1 a-Moll op. 77. Der Klang der tiefen Streicher erinnert an eine tiefhängende Gewitterwolke, aus der sich nach wenigen Takten die melancholische Stimme der Solo-Violine erhebt. Auf das getragene Nocturne (Moderato) folgt ein lebhaftes Scherzo, in das auch ein Thema eines jüdischen Tanzes eingeht, dann eine gravitätische Passacaglia und schließlich eine ungestüme, von russischen Volksliedmelodien durchzogene Burleske. Scheinbar mühelos meistert die Geigerin Alina Ibragimova die hohen technischen Anforderungen dieses Werks, das der Komponist selbst als „Sinfonie für Violine und Orchester“ bezeichnete. Schostakowitsch widmete das Solokonzert, das vier statt der üblichen drei Sätze aufweist, dem großen Virtuosen David Oistrakh. Aufgrund der repressiven Kulturpolitik des Stalin-Regimes konnte es erst 1955, sieben Jahre nach der Vollendung, mit Oistrakh und den Leningrader Philharmonikern unter Jewgeni Mrawinski uraufgeführt werden. Ibragimova, die das Konzert mit dem Staatlichen Akademischen Sinfonieorchester Russlands „Jewgeni Swetlanow“ unter Leitung von Vladimir Jurowski eingespielt hat, beeindruckt nicht zuletzt mit dem fein nuancierten Vortrag der langen Solokadenz, die ohne Unterbrechung in das Finale mündet. Auf dem Album ist auch Schostakowitschs zweites Violinkonzert cis-Moll op. 129 zu hören, bei dem der Komponist zur dreisätzigen Form zurückkehrt. Mitte der 1960er-Jahre abermals für Oistrakh komponiert, wurde es erstmals 1967 von der Moskauer Philharmonie unter Kirill Kondraschin aufgeführt. Dieses Konzert, in dem sogar drei Solokadenzen vorkommen, wirkt intimer und zurückgenommener als das erste. Ibragimovas eindrückliche Interpretationen der Werke machen die Aufnahme zu einem besonderen Hörerlebnis.
Corina Kolbe, 20.06.2020
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