Zarte Melancholie umschwebt den Beginn von Franz Schuberts Klaviersonate B-Dur D 960, die nur wenige Wochen vor dem frühen Tod des Komponisten im November 1828 entstand. In einer neuen Einspielung für das Label audite nähert sich Andrea Lucchesini diesem Reifewerk mit großer Behutsamkeit. Seine Interpretation beeindruckt durch Filigranität und Transparenz. Alles bleibt im Fluss, auch die Pausen und Brüche im Stück erscheinen als Teil eines organischen Ganzen. Lucchesini, ein Schüler der neapolitanischen Pianistin Maria Tipo, sieht Schuberts späte Klavierstücke in einem engen Zusammenhang mit seinen Vokalwerken. „Bei ihm ist alles kantabel gedacht“, merkt er an. Als „Erhebung“ empfindet er die subtilen Tonartwechsel im langsamen Andante sostenuto. „Dann öffnet sich ganz plötzlich ein Spalt, durch den das Paradies sichtbar wird“, zitiert ihn Michael Struck-Schloen in seinem Booklet-Text. Übermütig hebt das Scherzo an, doch im weiteren Verlauf schimmert wieder leise Traurigkeit durch, bevor schließlich das temperamentvolle, farbenreiche Allegro einsetzt. Überaus kontrastreich sind auch die weniger bekannten „Drei Klavierstücke“ D 946, die Schubert ebenfalls in seinem letzten Lebensjahr schrieb. In den lyrischen Stücken folgen auf düstere Passagen energiegeladene Steigerungen. Scheinbar leichtfüßige Rhythmen sind wieder von Trauer durchsetzt. Auf dem ersten Album der Schubert-Reihe hatte Lucchesini die späte Klaviersonate D 959 mit der als Vorlage dienenden frühen Sonate D 537 und dem Allegretto c-Moll D 915 kombiniert. Das dreiteilige Projekt soll im kommenden Herbst abgeschlossen werden. Der aus Florenz stammende Pianist, der vor etwa 15 Jahren Beethovens 32 Klaviersonaten einspielte, kann hier seine langjährige Erfahrung mit Kammermusik einbringen.
Corina Kolbe, 21.03.2020
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