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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Richard Strauss, Sergej Rachmaninow, Henri Duparc

Morgen (Lieder)

Elsa Dreisig, Jonathan Ware

Erato/Warner 9029531948
(76 Min., 7/2019)

Eine großartige Programmidee: Liedkompositionen von Richard Strauss, Henri Duparc und Sergej Rachmaninow beleuchten die vokale Kammermusik des Fin de Siècle aus der Perspektive dreier nationaler musikalischer Idiome. Alle drei Komponisten verblieben in jener bewegten Zeit ganz und gar in einer spätromantischen Dur-Moll-Tonalität, alle drei kämpften aber dennoch auf ihre je individuelle Weisen mit den Fährnissen ihrer Zeit: Strauss wurde nach dem zweiten Weltkrieg von der Realität eingeholt und lieferte dann seine wunderbaren „Vier letzten Lieder“, fast schon resigniert, als Spätblüte seines üppig-ornamentalen Stils nach. Henri Duparc kämpfte und haderte, hörbar in seinen Liedern, gegen den übermächtigen „wagnérisme“ in einer Zeit, als die Kulturnation Frankreich engagiert nach den Wurzeln ihrer ureigenen Identität suchte. Und Sergej Rachmaninow, der Heimatliebende, war nach der russischen Revolution des Jahres 1917 ein Heimatloser. All dies muss man nicht mithören, wenn man dieses spektakuläre Liedprogramm genießt, aber die bisweilen fast exzessive Intensität der Musik lässt doch immer wieder erahnen, dass diese Meister nicht selten komponierten, um mental und emotional zu überleben.
Elsa Dreisig hat sich mit Jonathan Ware einen Klavier-Partner ausgesucht, der auch der diffizilen Klavier-Version von Straussʼ „Vier letzten Liedern“ mühelos gewachsen ist. Ein Drahtseilakt, dieser orchestrale Klavierpart, innerhalb dessen die Sopranstimme auch viel weniger gehalten und geführt scheint als in der Orchesterversion. Unter anderem in diesen Liedern, besonders im „Frühling“, nimmt man besorgt wahr, dass Elsa Dreisigs noch junge Stimme in der hohen Lage immer wieder an ihre Grenzen stößt: Die ganz exponierten großen Kantilenen klingen nicht frei, sondern ein wenig eng und angespannt, und der Ansatz in der Höhe erfolgt unzählige Male nicht direkt, sondern über kleine Portamenti. Dieser Tatbestand trübt die Freude an dieser CD – bedauerlich gerade deshalb, weil Dreisigs Stimme ansonsten so gut durchgebildet und wohl timbriert erscheint. Sehr überzeugend ist etwa ihr sicherer Zugriff auf eine kraftvolle Tiefe. Aber es ist Vorsicht geboten: Ein Liedprogramm, und sei es auch noch so anspruchsvoll, sollte solche Grenzen nicht offenlegen.

Michael Wersin, 29.02.2020


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