Sony 19075929632
(72 Min., 10/2018, 6/2019)
Mit leicht dämonischem Einschlag stimmen die Streicher eine Melodie an, die umgehend ein Echo in den Holzbläsern auslöst. Doch bevor die Streicher danach im Dunkeln zu verschwinden drohen, reißen sie lieber im Orchester-Tutti-Verbund den Vorhang auf, um das dramatische Geschehen ins Milde und Hymnische zu überführen. Über vier Minuten dauert allein diese ungemein gehaltvolle, in ihren Stimmungsumschwüngen völlig unberechenbare Orchestereinleitung des Eröffnungssatzes eines Violinkonzerts, das es bislang tatsächlich nicht auf Tonträger geschafft hat. Komponiert wurde es irgendwann nach 1806 von Franz Joseph Clement und damit von jenem Wiener Geiger, der sich seinen Platz in der Musikgeschichte als Widmungsträger und Uraufführungsinterpret von Ludwig van Beethovens einzigem Violinkonzert gesichert hat. Und wenn Beethovens eben 1806 aus der Taufe gehobenes Opus auch einen Einfluss aufs Lyrische und Gesangliche der Violine ausgeübt hat und Clement dabei wie Beethoven durchweg den Dialog zwischen Solo-Stimme und Orchester fordert, ist dieses 2. Violinkonzert ein absolut eigenständiges, durch und durch romantisch aufgeladenes Meisterwerk. Entdeckt und zu neuem Leben erweckt hat es der alte und doch so junge Originalklang-Fahrensmann Reinhard Goebel, der jetzt am Pult des extrem konturiert und nuancenreich auftrumpfenden WDR Sinfonieorchesters steht. Und Mirijam Contzen erweist sich mit ihrem ungemein sinnlichen wie ausdrucksreichen Spiel schlichtweg als Idealbesetzung für diese Novität. An die Tiefgründigkeit dieses Violinkonzerts mag zwar Clements 1. Violinkonzert mit seinem auch gefälligen, dezenten Mozart-Ton aus dem Jahr 1805 nicht heranreichen. Dennoch ist auch dieses Werk unbedingt hörenswert. Mit dieser Aufnahme sollte eigentlich nur eine etwas andere, unerwartete Farbe ins noch junge Beethoven-Trubeljahr 2020 gebracht werden. Doch schon jetzt ist diese Einspielung ein absolutes Highlight.
Guido Fischer, 01.02.2020
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gemihaus
Reinhard Goebel, einst der grosse Chef-Inspirator der 'Musica Antiqua Köln' und tonangebend in der streng hist.informierten Alten Musik, hat wieder 'Neues' entdeckt und überzeugend zum Klingen gebracht. Jedoch, wie schon beim schwedischen Joseph Martin Kraus, die Musikgeschichte muss nicht umgeschrieben werden, und Beethovens Beitrag bleibt unangefochten singulär, nunja neben Brahms.