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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Tristan Murail

Portulan

Ensemble CAIRN, Guillaume Bourgogne

Kairos/Note 1 0015050KAI
(55 Min., 2/2018 & 6/2018)

Anfang der 1970er-Jahre wagte Tristan Murail zusammen mit seinen französischen Kollegen Hugues Dufourt und Gérard Grisey schon etwas Ungeheuerliches. Anstatt wie der damals in Frankreich tonangebende Neue-Musik-Papst Pierre Boulez zu komponieren und das vertraute Material einfach neu zu sortieren, drang man nun unter dem Namen „École Spectrale“ in die mikrotonalen Tiefenschichten eines Tons vor. Boulez war darüber lange nicht amused. Doch die damals von Murail & Co erkundeten, ultrafein ausgeleuchteten Zauberreiche haben längst Schule gemacht. Was sich aktuell besonders im Werk des Österreichers Georg Friedrich Haas und der Finnin Kaija Saariaho widerspiegelt. Aber auch Murail spürt weiterhin extrem filigrane und oftmals geheimnisvoll phosphoreszierende Tongebilde auf. Dazu gehören auch jene sieben Kammermusikwerke, die zwischen 1998 und 2011 entstanden sind und die Murail zu dem Werkzyklus in progress „Portulan“ gebündelt hat.
Der Titel geht auf einen historischen Seeatlas zurück. Und mit den sieben Stücken, die den Klangbogen von der Duo-Besetzung Klarinette/Violine bis zum Oktett schlagen, ist Murail nun eine Art autobiografische Erinnerungsreise angetreten. In die südfranzösische Provence imaginiert er sich da mit „Garrigue“, der für diese Region typischen Pflanze. „Les ruines circulaires“ basiert auf einer Kurzgeschichte des von Murail geschätzten Jorge Luis Borges. Und von der Normandie (mit „Dernières nouvelles dʼouest“) geht es mit „La Chambre des cartes“ hinab in den Kartenraum von Kapitän Nemosʼ Nautilus. Doch auch wenn Murail hier das Dröhnen der U-Boot-Motoren gleich zu Beginn des Stücks andeutet, so bewegt sich jedes Stück meilenweit entfernt von Lautmalerei und musikalischer Nacherzählung. Vielmehr ist alles Konkrete und Assoziative in dezent illuminierten, bisweilen radikal reduzierten Klangfantasien und Traumwelten entschwunden, die von dem französischen Spezialistenensemble CAIRN nun bewundernswert hörbar gemacht werden. Nur einmal, in der „Normandie“-Passage, kann Murail nicht anders und zitiert für ihn ganz untypisch mit Claude Debussy eines seiner großen Idole. Kein Wunder – schließlich verdankt Murail seine überreiche Farbpalette ja auch diesem großen Landsmann.

Guido Fischer, 25.01.2020


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