cpo/jpc 555301-2
(60 Min.)
Eine der großen CD-Überraschungen des nicht wirklich ergiebigen Jacques-Offenbach-Jahrs zum 200. Geburtstag: Die Ersteinspielung einer halbstündigen Ballettmusik aus der Zweitfassung seines ersten großen Operettenerfolgs „Orpheus in der Unterwelt“. In „Neptuns Königreich“ tanzen freilich nicht nur die Fische. Denn 1874 peppte der clevere Unternehmer Offenbach seinen Orphée-Erstling gehörig auf: Alles musste opulenter, länger, glamouröser und oft auch ein wenig nackter werden. Ganze Revuebilder dienten nur dazu, Ausstattungsaufwand und möglichst viel unbedecktes Tänzerinnenfleisch vorzuführen.
Also durfte in der jetzt fünfaktigen „Orpheus“-Version Euridice mit Jupiter zu Neptun reisen. Hinterher verwertete der pragmatische Offenbach daraus einige Melodien noch einmal – wie etwa ein feines Hörnersolo als Thema in „Le voyage de la lune“. Später mutierte das von fremder Hand zur berühmten „Spiegelarie“ des Dapertutto, die in „Hoffmanns Erzählungen“ integriert wurde. Statt Neptun im feuchten Unterwasserreich schwingt dabei sehr gekonnt Howard Griffiths am Pult des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin das Zepter respektive den Stab. Dieses feuchtfröhliche Offenbach-Divertissement ist ein schwungvoller Strauß mitreißender Tänze, voll Varianz, Eleganz und Einfallsreichtum. Da wedeln die Fische, scharwenzeln die Oktopusse und trippeln die Hummer. Das ist spritzig, blubbert und schlägt schönste Melodiewellen. Klarinetten schimmern, Flöten funkeln, Geigen oszillieren. Es galoppiert in Formation und baut sich zum lebenden Klangbild auf. Und einen weitausufernden, ozeanisch-satten Walzer gibt es natürlich auch. Nur Esther Williams fehlt als geschmeidige Hollywood-Wassernixe.
Matthias Siehler, 16.11.2019
Diese CD können Sie kaufen bei:
Als JPC- und Amazon-Partner verdienen wir an qualifizierten Verkäufen
An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.
Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.
Für diese Rezension gibt es noch keine Kommentare.
Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion
An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.
Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.
Nach seiner viel beachteten Aufnahme der 7. Sinfonie setzen François-Xavier Roth und das Gürzenich-Orchester Köln ihre Bruckner-Gesamteinspielung fort. Die „Romantische“, wie Anton Bruckner seine vierte Sinfonie selbst betitelt, komponierte er 1874 inmitten einer Zeit persönlicher Niederlagen. Und er zweifelt sofort an seinem Werk, bezeichnet manche Stellen als „unspielbar“ und findet die Instrumentation „hie und da überladen und zu unruhig“. Erst Jahre später, nach […] mehr