home

N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Mit der Oper "Cosi fan tutte", die 1948 das renommierte Festival eröffnete, hat Patrice Chéreau 2005 in Aix en Provence eine Jahrhundertinszenierung hingelegt. Ein Kabinettstück feinster Personenregie und eine Hommage an seinen Lehrer Giorgio Strehler. Richard Peduzzi hat auf die große Bühne des Théatre de l´Archeveché, des Hoftheaters des Erzbischöflichen Palastes, ganz realistisch die weißgekalkte, nackte Hinterbühne eines italienischen Theaters gebaut. "Vietato fumare" liest man an der kahlen Rückwand in großen Lettern. Seitens ein Feuerlöscher. Theater im Theater. Sichtbares Neapel ist in dieser intelligenten Mischung aus Desillusionierung und Freude am Theater nicht nötig. Chéreau inszeniert Mozarts schwarze Buffa aus dem Geist von Racine und Mariveau in handwerklich bestechender Präzision jenseits aller Opernroutine. Das ist keine Schule des Zynismus, sondern der Liebenden in größter Klarheit der Empfindungen. Wie selbstverständlich führt Chéreau mit Mozart das gleichzeitige Begehren des Ungleichen vor. Eine verstörend-moderne, psychologisch in jedem Moment einleuchtende Deutung des Stücks als existenzielles Experiment und theatralisches Spiel, bei dem alle Mitwirkenden verlieren. Am Schluss nehmen sich alle an die Hand und taumeln in Wellenlinien dem Ende zu, eine berührende Finalgeste, die an Chéreaus Bayreuther Rheingold 1976 denken lässt. Aktueller kann das Stück kaum gezeigt werden und das ohne jede Innovationsneurose. Im durchweg überzeugenden Ensemble sticht neben Stéphane Degout (Guglielmo) und Shawn Mathey (Ferrando) Barbara Bonney als zynische Zofe Despina heraus. Erin Wall (Fiordiligi) singt nie gehörte Koloraturen, Elīna Garančas samtiger Mezzosopran (Dorabella) betört. Ruggero Raimondi singt und spielt den Menschenverführer Don Alfonso als alten Theaterdirektor im Format eines abgehalfterten Don Giovanni. Daniel Harding dirigiert unentschieden zwischen romantisch und historisch informiert, aber sinnig und der schnellen Gangart Chéreaus entsprechend. Eine Sternstunde des Musiktheaters!

Dieter David Scholz, 01.09.2007


Diese CD können Sie kaufen bei:

Als JPC- und Amazon-Partner verdienen wir an qualifizierten Verkäufen



Kommentare

Kommentar posten

Für diese Rezension gibt es noch keine Kommentare.


CD zum Sonntag

Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion

Externer Inhalt - Spotify

An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.

Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.

Der Komponist Giacomo Orefice (1865–1922) wuchs in einer jüdischen Familie im norditalienischen Vicenza auf und ist vor allem für sein Opernschaffen bekannt. Auch als Pädagoge macht er sich einen Namen, sein berühmtester Schüler war der Filmkomponist Nino Rota. Orefices bekanntestes Musiktheaterwerk ist „Chopin“, für das er die Klavierwerke des polnischen Komponisten orchestrierte. Seine eigene Klaviermusik umfasst überwiegend romantische Charakterstücke, die von Gedichten, […] mehr


Abo

Top