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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Common Practice

Ethan Iverson Quartet

ECM/Universal 7783350
(66 Min., 1/2017)

Man kennt ihn als bärbeißigen Dekonstrukteur von Pop-Nummern und hemdärmeligen Garagen-Punkjazzer. Aber im massigen Körper von Ethan Iverson, der 17 Jahre lang ein Drittel von The Bad Plus war, schlägt ein großes weiches Herz für die Tradition der improvisierten Musik. Das konnte man schon an seinen Parallel-Veröffentlichungen zu Bad-Plus-Zeiten ablesen, als der Pianist mit Altvorderen wie Billy Hart oder Albert Heath zusammenarbeitete. Noch deutlicher ist es seiner Live-Einspielung „Common Practice“ eingeschrieben.
Da wäre zum einen der Ort, das ehrwürdige und legendengetränkte Village Vanguard. Zum anderen der Mann vorne am Mikrofon. Mit Tom Harrell hat sich Iverson einen Trompeter ausgewählt, der als Mitstreiter von Stan Kenton, Horace Silver und Phil Woods gelebte Jazzgeschichte verkörpert. Und der trotz einer schweren Krankheit mit wunderbarer Wendigkeit und lyrischem Tiefsinn das Erbe von Roy Eldridge, Chet Baker und Kenny Dorham auf Augenhöhe fortführt.
Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Harrell ist kein Gestriger, auf seinen Alben interpretiert er eigene Stücke mit junger Begleitung und modernem Touch. Auf „Common Practice“ aber lässt Iverson ihn lauter Standards aus dem Great American Songbook spielen – und zwei Bluesnummern aus der Feder des Pianisten.
Während er seinen Rhythmuspartnern Ben Street am Kontrabass und Eric McPherson eine etwas längere Leine lässt und ihnen kleine gewitzte Kunststücke zugesteht, übt sich Iverson selbst in strenger Zurückhaltung. Nur ganz selten sind seine dissonant schraffierten Harmonieumdeutungen zu vernehmen (etwa im Intro und Outro von „I Can't Get Started“), noch seltener lässt er seine parodistische Ader durchscheinen. Und wenn etwa „Sentimental Journey“ zunächst daherkommt wie ein alter Mann mit Hüftschaden, ist das mehr Thelonious Monk als Clownerie.
Was vor allem auffällt, ist die ungemeine Sparsamkeit des Klavierspielers. Viele seiner Soli bestehen nur aus Single-Notes ohne akkordisches Beiwerk, mehrmals bleibt das Piano sogar ganz still, wenn Harrell improvisiert. Nobel nimmt sich Iverson zurück, bis die zerbrechlich wirkenden, dennoch ungemein klaren Linien seines Gaststars wie die verblassende Schrift auf einer alten Postkarte in der Luft stehen.
Das Repertoire mag gängige Praxis in vielen Jazzclubs sein, Iversons zutiefst respektvolle Haltung mit dem Mut zum Schweigen ist es jedoch nicht. Gentle statt Bad Plus!

Josef Engels, 12.10.2019


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