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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Anatomy of Angels: Live At The Village Vanguard

Jon Batiste

Verve/Universal 7790378
(35 Min., 10/2018)

Wie nicht anders zu erwarten, hat der musikalische Leiter der Late Show des US-Satirikers Stephen Colbert Humor: Das zeigte sich, als der Pianist Jon Batiste mit Melodica, Sax, Tuba und Tamburin mal ein ganzes Album in der New Yorker U-Bahn aufnahm, das belegt jetzt auch der Auftakt eines Live-Mitschnitts ungleich seriöserer Provenienz.
Im altehrwürdigen Village Vanguard brachte Batiste im Herbst 2018 das Publikum mit seiner Nummer „Creative“ ähnlich zum Lachen und Johlen wie die Pendler auf seiner Untergrund-Einspielung. Was daran liegt, dass die im Trio mit Bassist Phil Kuehn und Schlagzeuger Joe Saylor dargebotene Komposition ständig absurde neue Wendungen nimmt. Sie beginnt als kantiges Konstrukt im Geiste von Thelonious Monk, verwandelt sich unversehens in einen leichtherzigen Ahmad-Jamal-Schunkler mit treibenden Shakern, wechselt in einen Doubletime-Swing mit hektisch aneinandergereihten Klavierglissandi, löst sich auf und landet schlussendlich beim retromodernen Gestus eines Jason Moran.
Batiste hat fraglos ein großes Herz für die Tradition. Tief im Blues verwurzelt ist „Dusk Train To Doha“, in dem der Pianist Staccato-Spielsteine zu schiefen Türmen aufschichtet. Den Standard „The Very Thought Of You“ interpretiert er gemeinsam mit Rachael Price, Sängerin der Indie-Jazz-Pop-Band Lake Street Dive, ganz behutsam in der Nachfolge jazzklassischer Gesangs-Klavier-Duette. Und bei seiner Wiedergabe von „Round Midnight“ ist auch selbstverständlich Dizzy Gillespies berühmte Intro-Kadenz eingearbeitet. Dafür hat Batiste seine Band mit jeweils zwei Saxofonen und Trompeten zum Septett ausgebaut.
Was mit so einer Besetzung außer authentischer Rückschau noch so möglich ist, macht der Albumabschluss deutlich. „Anatomy Of Angels“ ist mit seinen vielfältigen Stimmungswechseln nach einem ähnlichen Prinzip aufgebaut wie die launige Trio-Spielerei zu Beginn der Aufnahme. Allerdings offenbart sich hier eine viel größere Tiefe und Ernsthaftigkeit. Vor allem beeindruckt der rauschhafte gospelartige Turnaround in der Stückmitte, der Erinnerungen an einen Keith Jarrett in Feiertagslaune weckt. Schade, dass an dieser Stelle nach gerade mal 35 Minuten Spielzeit schon Schluss ist. Man muss es mit Humor nehmen.

Josef Engels, 17.08.2019


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