BIS/Klassik Center BISSACD-2353
(74 Min., 1/2018) SACD
Thematisch ausgerichtete Lied-Rezitals sind seit einiger Zeit in Mode. Sie bieten kreativen Sängerinnen und Sängern die Gelegenheit, ein bestimmtes Sujet oder aber ein spezielles emotionales Spektrum nicht nur im Interpretieren, sondern auch schon im Zusammenstellen des Programms nach Herzenslust nuancenreich auszuschöpfen. Dies tut nun auch Carolyn Sampson gemeinsam mit ihrem bewährten Begleiter Joseph Middleton auf ihrem vorliegenden jüngsten Lied-Album: Hier ist es der weibliche Wahnsinn, betrachtet u. a. im Lichte jenes Krankheitsbildes der Hysterie, das in der Psychiatrie um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zum Gegenstand des Interesses wird. Charles Koechlin, Richard Strauss, Claude Debussy oder Hugo Wolf scheinen dieses Phänomen auf ihre je eigene Art und unter Verwendung unterschiedlichster lyrischer Elaborate, die verschiedene Frauenfiguren (Mignon, Bilitis, Astarte, Ophelia) porträtieren, kompositorisch aufgegriffen zu haben. Aber auch schon in den Jahrzehnten vor der Jahrhundertwende widmeten sich Komponisten wie Brahms, Schumann und Schubert diesen und vergleichbaren Frauenfiguren. Besonders Brahms‘ rätselhafte Ophelia-Lieder mit ihren nicht zu klärenden Ungewissheiten in puncto Klavierbegleitung faszinieren innerhalb dieses Repertoires.
Carolyn Sampson macht sich die genannten Figuren und ihr Innenleben auf überaus routinierte Art zu Eigen. Ihr Gesang auf diesem Album kann nur als hochdifferenziert, bemerkenswert sprachaffin und fast beklemmend ausdrucksstark bezeichnet werden. Rein stimmlich gesehen ist ihr gelegentlich etwas auffälliges Vibrato auch hier ein Thema, vor dem Hintergrund des Sujets fällt es aber nicht so störend ins Gewicht wie bei vorangegangen Veröffentlichungen. Alles in allem also ein unbedingt zu beachtender, herausragender Beitrag zur aktuellen Kunstliedinterpretation.
Michael Wersin, 25.05.2019
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