Paul Müller-Zürich – einer der vielen vergessenen Komponisten des 20. Jahrhunderts. Aufgrund seiner Lebensdaten – 1898 bis 1993 – lässt sich der Schweizer zwar eindeutig in das letzte Jahrhundert einordnen. Hinsichtlich seines Schaffens jedoch gehört Müller-Zürich, der hauptsächlich als Lehrer für Musiktheorie am Zürcher Konservatorium beschäftigt war, der kaum überschaubaren Gruppe von Komponisten an, die trotz Schönberg und seiner Nachfolger an der dreiklangsbasierten Tonalität festgehalten haben. Glücklicherweise wird diese Resistenz heutzutage längst nicht mehr als Makel betrachtet; vielmehr fasziniert die Vielfalt der Möglichkeiten dreiklangsorientierten Schaffens, die auch nach der Toterklärung des „tonalen“ Komponierens noch gefunden und genutzt wurden.
Im Kreise derer, die solchermaßen verfuhren, gehört Müller-Zürich im besten Sinne zu den „Soliden“: Aus dem hier präsentierten Repertoire an Kammermusik für Streicher lässt sich nicht ermitteln, dass er sich jemals so weit vorgewagt hätte wie etwa sein Landsmann Frank Martin. Auch scheint er keine Neigung zum „Auffälligen“ oder Skurrilen gehabt zu haben wie etwa Francis Poulenc. Aber dennoch war Müller-Zürich ein auf stetige Wandlung und Auseinandersetzung mit der Materie bedachter „Ausdrucksmusiker“, der sich beständig Rechenschaft ablegte über sein kreatives Tun. Dies unmittelbar zum Erlebnis werden zu lassen, ist das Verdienst des casalQuartett, das sich der Musik von Paul Müller-Zürich mit bemerkenswerter Sorgfalt und Leidenschaftlichkeit widmet. Die Musiker repräsentieren sein Schaffen aus den Jahren 1919 bis 1950 mit einem Trio, einem Quartett und einem Quintett auf mitreißende Weise und gewähren Einblick in die Kompositionsgeschichte der Schweiz, die bis heute allzu selten Gegenstand von CD-Produktionen ist.

Michael Wersin, 18.05.2019

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