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N° 1354
20. - 29.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Johann Sebastian Bach

Bach To The Future (Orgelwerke)

Olivier Latry

La Dolce Vita/harmonia mundi LDV 69
(78 Min., 1/2019)

Diese Orgelaufnahme wird man wohl in nächster Zeit nicht ohne gemischte Gefühle in die Hand nehmen und hören. Denn drei Monate vor dem verheerenden Brand in der Pariser Kathedrale Notre-Dame hat Olivier Latry in seiner Funktion als Titularorganist dieses Bach-Recital an jener großen Cavaillé-Coll-Orgel aufgenommen, die seit dem 19. Jahrhundert den riesigen Klangraum erfüllt. Die Fotos im Booklet zeigen daher ihr Inneres noch völlig unbeschadet und in seiner beeindruckenden Monumentalität. Zwar soll der Spieltisch der Orgel und überhaupt das gesamte Instrument die Katastrophe fast ohne einen Kratzer und einen Tropfen Löschwasser überstanden haben, aber angesichts der im Kopf sofort mitlaufenden Nachrichtenbilder löst auch das eröffnende „Ricercare“ aus Bachs „Musikalischem Opfer“ leichte Gänsehaut aus. Wie eine trauertrunkene Meditation setzt Latry das Werk in Bewegung. Streng und düster. Langsam scheint jedoch immer mehr mildes Licht solange hineinzufallen, bis alles in Größe erstrahlt.
Dass Latry darauf die wenig gespielte Fuge BWV 578 folgen lässt, spricht allein schon für das anspruchsvolle Niveau, mit dem er den Zukunftsmusiker Bach porträtieren wollte. Natürlich gibt es auch solche himmelsstürmenden Klassiker wie die Toccata und Fuge BWV 565, die Passacaglia und Fuge BWV 582 oder die Fantaisie BVW 542. Doch bei aller konzertanten Imposanz, mit der Latry seine Orgel ausfährt, überwiegt nicht nur ein beeindruckend farbiges Linien- und Flächenspiel. Unter Latrys Händen und Füßen besitzen selbst solche Bravourstücke nun eine erzählerische Leuchtkraft und Tiefe, wie sie in den auch intimeren Chorälen „Erbarm´ dich mein“ BVW 721 und „Herzlich tut mich verlangen“ BWV 727 allgegenwärtig sind. Eine (gleichfalls aufnahmetechnisch) großartige Orgel-Einspielung ist Olivier Latry da gelungen. Nicht nur weil sie für den Moment tatsächlich ein wenig tröstet. Auch dank all der neuen Perspektiven, die er auf die feinsten Verästelungen dieser Klangarchitekturen ermöglicht, wird dieses Bach-Porträt noch weit über die Gegenwart hinaus wirken. „Bach To The Future” eben.

Guido Fischer, 20.04.2019


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