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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Espoo Suite

Espoo Big Band

Galileo GMC 084
(59 Min., 5/1918)

Wow. Das sitzt. Mit der Espoo Suite stellt die Espoo Big Band fast alles in den Schatten, was im letzten Jahrzehnt für eine derartige Großformation komponiert wurde. Marzi Nyman, seit 2012 Leiter der im finnischen Espoo beheimateten Formation, schrieb als Hommage an die Stadt eine von Spielwitz, Humor und Energie strotzende „Espoo Suite“ mit fünf Sätzen und einem Blues-Nachklapp.
Sie startet mit einem Saxofonsolo, Summen der Bandmitglieder, Saxofonsatz, etwas Blech kommen dazu, dann erfolgt die Übergabe an Gitarre, Rhythmusgruppe, die komplette Band: Nyman überstürzt nichts. Sorgsam baut er den ersten Satz, „Quiet Flows The Aspen River“ auf, führt ihn zu einem ersten Höhepunkt, nimmt die Intensität zurück, baut erneut auf und lässt den Fluss zwischen den Espen mit sanftem Wellengang fließen, sich an Steinen und Biegungen wandeln, zwischendurch Gischt sprühen, Kraft und Volumen gewinnen und schließlich wild davonrasen: ein wunderbares Tongemälde mit abruptem Ende.
Der Bigband widmet er das über einer dunklen, vehementen Bassfigur aufgebaute „Brotherhood“: ein grandioses Showcase für die Präzision und Farbenpracht der achtzehnköpfigen Formation. In einem vom Flügel geprägten Zwischenspiel offenbart die verschworene Gemeinschaft auch eine besinnlichere Seite, aus der sie Kraft fürs nächste Aufbrausen mit einem finalen Clangesang „Weoohweo weoohweo wheowee“ schöpft.
Das mit stampfenden Figuren beginnende „Igor’s Lament“ widmet Nyman der in Aspen residierenden Tapiola Sinfonetta, einem Kammerorchester, für das er auch schon komponiert hat. Als hätten sich Igor Strawinski, Edward Grieg und ein Jazz- und Showkomponist der 1920er Jahre über einem Stapel Notenblätter auf eine Partitur geeinigt, beruhigt sich Igors Stimmung nach einer tränenreichen Passage zusehends, ohne den von einem düsteren Puls getragenen Trauergestus hinter sich zu lassen.
Mit „Moonshine Chase“ versetzt Nyman die Bigband in eine Hetzjagd – laut Pressetext die Verfolgung von Alkoholschmugglern in den Zeiten der Prohibition (1920 bis 1933) in den USA. Die hohe Ausgangsspannung überführt er in einen Spiegel der weniger hektischen detektivischen Alltagsarbeit, wobei er den Weg zum Finale mit Polizeisirenen mit geschickt eingebauten Überraschungs- und Spannungs- und Suchmomente spickt.
Klotzige Klänge leiten den „Finale“ überschriebenen Teil pompös ein, und Gitarrencluster zerbröseln das kurz aufflackernde, dissonante Strahlen. Stumpfe Klaviertöne, Gitarrenwabern, dunkle Bläser schaffen eine düstere Atmosphäre, aus der sich nach dreieinhalb Minuten allmählich erste Sonnenstrahlen drängen. Über Anklänge an Hardrock-Power landet die Nummer schließlich wieder bei den Tonklötzen – über das Ende der Suite scheint keiner glücklich zu sein.
Muss man auch nicht. Wie eine Zugabe wirkt die Schlussnummer, der mit Session-Atmosphäre, Einzählen und Händeklatschen unterlegte „Espoo Blues“. In diesem vergnügten, herrlich unbefangen von der Jazzhistorie beflügelten tatsächlichen, von Partylaune und Humor gewürzten Finale lassen Jazz-Heroen wie Count Basie, Duke Ellington, Thad Jones und Mel Lewis aber auch Gil Evans, Toshiko Akyoshi und Lew Tabackin sowie andere Leiter kompakter Big Bands grüßen. „Es gibt keine Gemeinschaft, die enger und wärmer ist als die der Espoo Big Band“, lobt Marzi Nyman die Band im Hüllentext. Wer die Disc gehört hat, glaubt ihm diese Empfindung aufs Wort.

Werner Stiefele, 23.03.2019


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