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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Instrumental Chairs

Fee Stracke

Unit Records/H'Art – Membran UTR 4863
(55 Min., 8/2017)

Es schläft ein Lied in allen Dingen. Sogar in Tischen und Sitzgelegenheiten. Zu dieser überraschenden Erkenntnis gelangt man, wenn man „Instrumental Chairs“ der Berliner Pianistin Fee Stracke hört. Inspiriert von dem eigenen Rhythmus der Stuhlreihen in einem kanadischen Flughafen-Warteraum, in dem sie einmal wegen eines verspäteten Anschlussfluges warten musste, schrieb sie Stücke über Klassiker des Möbel-Designs.
Etwa über Eric Brendels multifunktional ausklappbaren Teetisch, an den Stracke behutsam ihre Mitmusiker zum Nachsinnen und Diskutieren einlädt. Zunächst treffen sich da ein vorsichtig tastendes Klavier und Daniel Meyers halbakustische, wie eine Orgel summende Gitarre zum Tête-à-tête, dann treten Berit Jungs Kontrabass und Hampus Melins Schlagzeug federnden Schrittes mit einem Lied auf den Lippen hinzu. Es entspinnt sich ein kantiger Groove als Diskussionsplattform, über die das Klavier orientalisch wirkende Kürzel wie Spielkarten verstreut. Die Komposition nimmt noch mehrere musikalische Wendungen und ist damit so variabel wie der namensgebende, nach allen Seiten und für alle Quartettsituationen offene Teetisch.
Man mag sich bei Strackes „Instrumental Chairs“ konzeptuell an Erik Saties „Musique d'ameublement“ erinnert fühlen. Aber anders als der Vorreiter der Minimal Music will die Pianistin nicht provozieren, sondern taucht vielmehr in das Wesen der Gebrauchsgegenstände ein und fördert ihre mal geometrische, mal kinetische Poesie zutage. Ludwig Mies van der Rohes Freischwinger bewegt sich sacht zwischen zwei Akkorden, auf Arne Jacobsens Ameisen-Stuhl krabbeln mehrere Insektenarmeen in genau berechneten Mustern, der Boston Loveseat wird benetzt von den Tränen, die schluchzend und tropfend aus Klavier und Gitarre dringen.
Zuweilen wird auch mal deftig an Stuhlbeinen gesägt, wenn Jung ihre Basssaiten sirrend mit dem Bogen traktiert, gestritten, skandinavisch-volksliedhaft geschwelgt oder mit Scheuermitteln die musikalische Oberfläche bearbeitet. Kurz: Es ist das, was Menschen an Möbeln machen, wenn sie zu mehreren am Tisch sitzen oder alleine auf dem Stuhl ihren Gedanken nachhängen. Strackes „Instrumental Chairs“ sind so gesehen weit mehr als profane Gebrauchsgegenstände: Sie sind, frei nach Beuys, soziale Klangskulpturen.

Josef Engels, 01.12.2018


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