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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Johann Sebastian Bach

„Eternity“ (Kantaten BWV 20, 93, 3, 10, 116, 124)

Chorus Musicus Köln, Das Neue Orchester, Christoph Spering

dhm/Sony 19075874862
(110 Min., 12/2018) 2 CDs CDs

Im Jahr 2016 hat Christoph Spering mit seinen Ensembles eine ganze Box mit Bach-Kantaten auf Lutherlieder präsentiert. Nun legt er, durch ähnliche Optik leicht mit der früheren Veröffentlichung in Verbindung zu bringen, eine Doppelbox mit sechs Kantaten aus dem Choralkantaten-Jahrgang vor. Chor und Orchester sind erstklassig besetzt, unter den insgesamt sieben Solisten, die sich in unterschiedlichen Zusammensetzungen auf die Kantaten verteilen, sind u. a. Yeree Suh und Georg Poplutz hervorzuheben. Praktisch reibungsfrei, routiniert und elegant konzertiert sich diese Gruppierung durch die anspruchsvolle Literatur.
Und genau hieran ist ein Problem festzumachen, das immer wieder für Irritationen sorgt: Obwohl Spering im Beihefttext umfassend Rechenschaft ablegt über eine interpretatorische Vorgehensweise, die innerhalb von sinnvollen aufführungspraktischen Erwägungen auch Fragen nach der Textvermittlung einbezieht, erlebt der Rezensent viele Kantatensätze als eigenartig an der Textaussage vorbeimusiziert. Der Eingangssatz von BWV 20 etwa, dessen Ouvertürenform sich einerseits zweifellos auf den Beginn des zweiten Leipziger Kantatenjahrgangs bezieht, hat außerdem aber vor allem auch eine inhaltliche Aussage, die es herauszuarbeiten gilt: Die Rede ist im Text vom Schrecken vor der Endlosigkeit der Ewigkeit, die aus menschlicher Perspektive eben auch eine Ewigkeit in der Hölle sein kann. Wer mit der Ouvertüre den Einzug in diese Art von Ewigkeit assoziiert, der fürchtet sich vor Martern und Qualen ohne Ende. Tatsächlich enthält die Musik auch entsprechende Schreckmomente, die diese schlimme Sorge versinnbildlichen. Nun kommt das Stück in Sperings Darbietung aber so leichtfüßig, sportlich und knackig artikuliert daher, das die genannte Dimension fast völlig außen vor bleibt. Später in der Alt-Arie setzt sich diese Diskrepanz fort: Mit unendlicher Leichtigkeit singt der Altist über aussagekräftige Sprünge („du machst mir bange“) und markante Koloraturen („Flammen, die auf ewig brennen“) hinweg, sodass auch hier die Schreckens-Dimension der Textaussage hinter einer ausgelassenen Virtuosität völlig verschwindet. Sprung ist nicht gleich Sprung, Koloratur nicht gleich Koloratur: Welchen Affekt eine musikalische Figur evoziert, hat über den Text die Interpretation zu bestimmen. Solche Textnähe ist in den genannten und manchen anderen Sätzen zu vermissen, und der Rezensent findet für diesen Missstand keinen einleuchtenden Grund.

Michael Wersin, 24.11.2018


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