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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Jörg Widmann

„Arche“ (Oratorium für Soli, Chor, Orgel und Orchester)

Marlis Petersen, Thomas E. Bauer, Chor der Hamburgischen Staatsoper, Philharmonisches Staatsorchester Hamburg, Kent Nagano u.a.

ECM/Universal 4817007
(101 Min., 10/2017) 2 CDs

Die Eröffnungsfeierlichkeiten der Hamburger Elbphilharmonie Anfang 2017 hatten es in sich. Drei Wochen lang dauerte der Konzertmarathon, der bereits am Tag nach der musikalischen Ouvertüre seinem zweiten spektakulären Höhepunkt entgegensteuerte. Zur Uraufführung kam Jörg Widmanns Oratorium „Arche“, für das er sich von der Architektur und der Hafenlage der Elbphilharmonie inspirieren ließ. Heraus kam dabei ein abendfüllendes Stück für Solisten, Chor, Orgel und Orchester, das sich um die Schöpfungsgeschichte, die Sintflut und überhaupt über das fragile Vertrauensverhältnis zwischen Mensch und Gott dreht. Solch ein riesiges Gedankengebäude richtet man aber nicht mal eben so hopplahopp ein, weder musikalisch, noch von der entsprechenden Textsammlung her. Widmann, dieser sich mit jedem Werk so ungemein fantasiereich zwischen Tradition und Moderne bewegende Komponist, hat für die fünf Sätze seiner „Arche“ eine Textsammlung collagiert, die von der Bibel und Franz von Assisi über Heine und Nietzsche bis hin zu Klabund und Peter Sloterdijk reicht. Doch auch musikalisch kennt der Komponist keine Scheu vor reichlichen Quer- und Rückbezügen. Da prallen etwa im „Dies Irae“ Carl Orff-Rhythmen auf ein großes Zitat aus Beethovens Chorfantasie. Walzer-Elan trifft auf Wagner-Sehnen. Und bevor im finalen „Dona nobis pacem“ ein Kinderchor die Namen aktueller Götter wie Facebook und Shakira runterrattert, wird man im eröffnenden „Fiat Lux“ Ohrenzeuge der Schöpfungsgeschichte, deren Beginn mit einem konturlosen Grummeln sinnfällig gemacht wird.
Der Aufwand für dieses Oratorium war demnach riesig, wie der jetzt veröffentlichte Live-Mitschnitt der Uraufführung deutlich macht. Mit Kent Nagano stand aber ein Dirigent am Pult des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg, der auch dank seiner immensen Mahler-Erfahrungen mit auseinanderlaufenden, konturreichen und dann wieder sich ineinander verknäuelnden Klangfäden und -tauen bestens zu Rande kommt. Dennoch ist es nicht nur der im Booklet fehlende Text, der einem den Weg durch dieses Opus Magnum erschwert. Es ist die musikalisch heterogene Ideenflut, die die Konzentration auf die hier angerissenen existenziellen Glaubens- und Menschheitsfragen schmälert. Die alte von Mies van der Rohe geprägte Architektur-Weisheit des „Less is more“ wäre daher ein guter Ratgeber gewesen.

Guido Fischer, 06.10.2018


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