Sony 190758546520
(133 Min., 12/2017) 2 CDs
Eine sentimentale Reise rückwärts und ein Aufbruch nach vorn. Mag Yo-Yo Ma nicht nur der berühmteste Cellist der Welt sein, ein wohlmöglich noch bekannterer Musiker und ein grandioser Kommunikator wie Erfinder, auch für ihn gilt: Die sechs Solosonaten von Johann Sebastian Bach, entstanden zwischen 1717 und 23 in der kleinen mitteldeutschen Residenz Köthen, sie sind nicht nur eine Weltmusik-Inkunabel. Seit des vehementen Einsatzes von Pablo Casals sind sie auch wieder das A und O, das Yin und Yang, das Alte wie Neue Testament für jeden Meister dieses Instruments. Und so spielt Yo-Yo Ma sie natürlich nicht nur regelmäßig, öffentlich oder als Training und Meditation, er hat sie jetzt auch zum dritten Mal aufgenommen. Zuerst tat er das mit Ende Zwanzig, das zweite Mal mit Mitte Vierzig, begleitet von sechs Filmen, in denen sechs unterschiedliche Künstler vom Architekt über den Eisläufer, den Gärtner und den Choreografen ihren Bach-Beitrag leisteten. Jetzt ist Ma 63 Jahre alt und wollte es noch einmal wissen. „Sechs Evolutionen“ nennt er seinen Ansatz. Und der ist vor allem ein Resümee von fast sechs Dekaden kontinuierlicher Beschäftigung mit diesen Werken. Da findet sich Hineinhören und Expression, tänzerische Grazie und melodische Intensität. Herber und herbstlicher sind die Farben seines Cellostrichs geworden. Noch mehr hat er Balance und Mitte gefunden. Er gestaltet das mit Autorität und einer gelassenen Nonchalance. Hier finden keine Revolutionen und Neubewertungen statt. Hier wird einfach nur einzigartig schön und intelligent, wissend und gleichzeitig naiv, heiter und streng Cello gespielt. Und, das ist beim reinen Hören auch sofort spürbar, als eine noble Geste des Teilens, der Vereinnahmung, der Einladung, mit auf diese spannungsvolle, leuchtende, zärtliche Klangreise zu kommen. Die uns, ja, da darf man pathetisch werden, etwas vom Menschsein erzählt. Denn für Yo-Yo Ma ist sie auch eine Reise zu sich selbst.
Matthias Siehler, 01.09.2018
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