Hyperion/Note 1 CDA68213
(82 Min., 5/2017)
Als ein „Protokoll eines dissoziierenden Lebens, das sich mehr tastend als zugreifend verhält“, hat der im Mai verstorbene Komponist Dieter Schnebel 1969 in seinem immer noch ohren- und augenöffnenden Aufsatz „Schubert: Auf der Suche nach der befreiten Zeit“ die große B-Dur-Klaviersonate beschrieben. „Immer wieder hält die musikalische Zeit ihren Gang an, um selbstvergessen zu verweilen“, so Schnebel weiter. Wie all das klingt, ist nun auf Marc-André Hamelins Einspielung von Schuberts pianistischem Schwanengesang zu erleben. In einem ständigen Wechselspiel von hoffnungsvoll nach vorne treibenden Kantilenen mit Momenten eines beklemmenden, am Rande fahler Stille sich androhenden Stillstands befindet sich bei Hamelin dieses viersätzige Drama. Und wie der Kanadier in den über 22 Minuten des epischen Eröffnungssatzes auch über die wiederkehrenden thematischen Vertrautheiten einen sich langsam ins Quälende und Steinige umschlagenden Parcours entwickelt, lässt einen schon fast an das Schicksal des armen Kerls Sisyphos denken. Doch auch solche Passagen, in denen einem die Resignation vollends entgegenschlägt, gestaltet Hamelin aus der Musik heraus. Keine Sekunde gibt es hier, ebenso wenig in den zugegebenen, ähnlich vom existenziellen Leid geplagten Vier Impromptus D 935 op. 142, in denen Hamelin sich als jener rein technische Super-Virtuose inszeniert, als der er gemeinhin gilt. Dafür ist er aber – wie sein Kollege Arcadi Volodos – längst ein Gestaltungskünstler ersten Ranges.
Guido Fischer, 25.08.2018
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