Guild/Weltbild GHCD 7266
(74 Min., 4/2003) 1 CD
Hispanische Kirchenmusik des 20. Jahrhunderts: Ein Nischen-Repertoire, das bei uns - abgesehen von Pablo Casals’ "O vos omnes" vielleicht - nicht die geringste Rolle spielt. Jesús Guridi, Xavier Montsalvatge, Joaquín Rodrigo, Javier Busto oder Alberto Ginastera heißen die Komponisten der erstaunlich inspirierten und tiefgründigen, größtenteils für den liturgischen Gebrauch geeigneten kleinen Vokalwerke, die Carlos Fernández Aransay und sein in London beheimateter "Coro Cervantes" dem überraschten Hörer dieser CD höchst engagiert präsentieren. Harmonisch bewegt sich diese Musik zwischen einer warm-geschmeidigen nachromantischen und einer moderneren, mit Dissonanzen angereicherten Tonsprache: Javier Bustos "Agnus Dei" aus der "Missa brevis pro Pace" etwa experimentiert auf konventioneller Basis mit neuen Klängen, während Jesús Guridis "Tantum ergo" ganz traditionell - man fühlt sich etwa an César Franck erinnert - seine überirdisch-engelsgleiche Schönheit entfaltet. Deutlich harschere Töne schlägt Alberto Ginastera in seinen aufgewühlteren "Lamentationes" an: Sie entstanden im New Yorker Exil, wohin sich der Argentinier 1945 wegen der Perón-Regierung begeben hatte. In der katholischen Liturgie des 20. Jahrhunderts haben sie kaum noch einen Platz, weshalb Ginastera wohl auch auf die traditionellen Einleitungs- ("De Lamentatione Hieremiae Prophete") und Schluss-Worte ("Jerusalem, convertere ad Dominum Deum tuum") verzichtete; seine Klage nimmt eindeutig Bezug auf die schlimmen Probleme in seiner Heimat.
Noch eine Menge mehr Stücke dieser Art gibt es außer den oben genannten hier zu entdecken. Die Interpretation ist stets geprägt von der großen Liebe des Dirigenten und Chorgründers Aransay zu dieser herrlichen Musik. Obwohl hinsichtlich der Chorkultur nicht immer alles hundertprozentig im Lot ist - gelegentliche Unausgewogenheiten und kleinere Intonationsschwächen trüben das ansonsten durchweg professionelle Klangbild -, muss diese CD jedem Freund geistlicher Chormusik wärmstens empfohlen werden. Fast alle der hier versammelten Werke erscheinen übrigens zum ersten Mal auf einem Tonträger.
Michael Wersin, 27.03.2004
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