Arte Nova/BMG 74321 72125 2
(45 Min., 12/1999) 1 CD
Panama ist das Land meiner Träume, sagt der kleine Bär zum kleinen Tiger. Ähnliches ließe sich auch von Argentinien behaupten. Da kommt Alberto Ginastera her. Also darf man vermuten, dass dieser vor allem schöne (also: melodisch eingängige, rhythmisch packende und formal einfache) Musik geschrieben hat. Wie es die Südamerikaner halt dem Klischee nach so tun: ein bisschen Folklore (also vor allem: Samba, Salsa, Rumba), ein bisschen europäischer Akademismus ruhig auch der traditionelleren Art (siehe Villa-Lobos und Bach) - und fertig ist die exotisch gewürzte Musik-Melange.
Auf Alberto Ginastera wollen diese Vorurteile allerdings so recht nicht passen. Das Land seiner Träume liegt nicht im Niemandsland zwischen dem verpassten Anschluss an die mitteleuropäische komponierende Avantgarde und den Lustigen Musikanten aus Argentinien. Seine Streichquartette - das erste, noch originellere, weil (noch) weniger reflektierte von 1948 ebenso wie das zehn Jahre jüngere zweite mit seiner deutlich zwölftönigen Anlage - versehen komplexe Struktur-Ideen, deren Ausführung keinen Vergleich zu scheuen braucht, lediglich mit leisen Akzenten klangfarblicher und vor allem rhythmischer Art.
So wie das Henschel-Quartett die Stücke spielt - ganz filigran durchgearbeitet und fein vernetzt, ganz Aktion im Raum, im zweiten Satz des ersten Quartetts von fast mendelssohnscher Elfenhaftigkeit -, haftet ihnen nirgends auch nur ein Hauch des bloß Dekorativen an. In Ginastera steckt mehr Berg (im zweiten Quartett) und vor allem mehr Bartók als Samba - und dennoch ist die Aneignung so eigenwillig, dass man, zumindest beim Hören dieser CD, jenen Musikwissenschaftlern Glauben schenken möchte, die behaupten, die zeitgenössische Musik könne sich nur an den Wurzeln der Volksmusik wirklich sanieren.
Susanne Benda, 29.06.2000
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