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(66 Min., 2010, 2011, 2013)
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(58 Min., 2007, 2010)
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„Glauben Sie, Bach dreht sich im Grabe herum? Er denkt nicht daran. Wenn Bach heute lebte, vielleicht hätte er den Shimmy erfunden oder zumindest in die anständige Musik aufgenommen.“ Schon in den Goldenen Zwanzigern erkannte ein Bad Boy wie Paul Hindemith, was für ein subversives Jazz-Potenzial etwa in der Musik Johann Sebastian Bachs steckt. Und prompt machte Hindemith die Probe aufs Exempel. Mit einem knackigen Ragtime für Orchester, für den er eine Fuge aus Bachs „Wohltemperiertem Klavier“ ausschlachtete und verballhornte. 1921 empfanden die Hüter des abendländischen Klassik-Erbes diesen Ragtime à la Bach natürlich als provokante Ungeheuerlichkeit. Heute aber ist Bach nicht nur längst im Jazz angekommen (man höre nur die jüngste Bach-Hommage des Amerikaners Brad Mehldau!). Hindemiths „Ragtime (wohltemperiert)“ ist mittlerweile zu einer Köstlichkeit gereift, die ihren festen Platz im Orchesterkonzertleben mindestens im Zugabenteil haben sollte. Quasi als fulminanter Rausschmeißer fungiert er jetzt auch beim reinen Hindemith-Album, das eine Zusammenstellung von Aufnahmen aus jenen Jahren ist, in denen Paavo Järvi Chefdirigent des Frankfurter hr-Sinfonieorchesters war. Neben der Kurzstrecke in Form des Ragtimes sowie „Fünf Stücken“ für Streichorchester sind zwei von Hindemiths Hauptwerken zu hören: die „Mathis der Maler“-Sinfonie sowie die „Sinfonischen Metamorphosen nach Themen von Carl Maria von Weber“, die 1943 in Hindemiths amerikanischem Exil entstanden sind. Zwischen grell aufgepeitscht und polyphoner Konstruktionskunst bewegt sich dieses repräsentative Hindemith-Porträt, bei dem Järvi mit seinem Orchester angesichts ihres gemeinsamen untrüglichen Gespürs für die harmonischen Kühnheiten und gewagten Licht-und-Schatten-Spiele zur Höchstform aufgelaufen ist.
Aus einem ganz anderen Holz geschnitzt ist dagegen die Bach-Beschäftigung, mit der das zweite Album von Paavo Järvi und dem hr-Sinfonieorchester ausklingt. Es ist Anton Weberns Transkription von Bachs Ricercata aus dem „Musikalischen Opfer“. Und diesem kontrapunktischen Gewebe verleiht Järvi nicht zuletzt über verlockend sanfte Farben eine ungemeine Sinnlichkeit. Im Mittelpunkt dieser ebenfalls der klassischen Moderne gewidmeten Einspielung stehen mit Anton Webern und Arnold Schönberg ebenfalls zwei Traditionsbewahrer. Der von Gerard Schwarz für Streichorchester eingerichtete „Langsame Satz“, den Webern für Streichquartett komponiert hatte, lebt von seinem sentimentalen Melos. Und gleich zu Beginn erklingt Johannes Brahms‘ g-Moll-Klavierquartett in der berühmten Orchestrierung von Arnold Schönberg. Da leuchten und singen die Holzbläser des hr-Sinfonieorchesters herrlich pastoral. Da feiern die Streicher den Hymnen-Meister Brahms. Und am Ende können die Hessen sogar ihre ungarische Seele effektvoll in Szene setzen.
Guido Fischer, 14.04.2018
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