DG/Universal 028947975779
(79 Min., 5/2017)
Es muss ja nicht immer für die Ewigkeit sein: Man hat bereits bei der zweiten Veröffentlichung aus Andris Nelsons‘ im Werden begriffenem Bruckner-Zyklus das Gefühl, hier wird nicht das Endgültige gesucht, sondern ein Status Quo abgeklopft. Und der besagt: Das Gewandhausorchester Leipzig feiert derzeit sein 275. Jahr und sein erstes unter dem neuen, dem 21. Gewandhauskapellmeister. Das ist eine gute Kombination. Und während er gleichzeitig mit seinem anderen Orchester in Boston Schostakowitsch einspielt und mit den Wiener Philharmoniker Beethoven, lotet Andris Nelsons hier die dynamischen, melodiösen und tempomäßigen Möglichkeiten des Hochleistungsklangkörpers aus. Was sich zunächst als hell gehaltenes, nie auf der Stelle tretendes Orchestergemälde im vorangestellten „Lohengrin“-Vorspiel erweist, wird bei der Bruckner-Hauptsache zu einem eleganten Messen der Kräfte und Absichten. Nelsons Musizierweise wirkt stets wie spontan aus dem Augenblick geboren, weil er sie organisch entwickelt. So gibt es hier keine schroffen Blockabsätze, sondern weiche, fließende, liebevoll gestaltete Übergänge: Bruckner nicht als Klangkathedralenbauer, sondern als Panoramagestalter, der weit und perspektivisch raffiniert in die Tiefe schaut. Jede Orchestergruppe, insbesondere aber die der Hörner, wird hier auf Händen getragen, es atmet wirklich „romantisch“. Man erlebt deutlich, wie ein Orchester und sein Maestro aufeinander kollektiv anspringen, jeder Musiker aber auch als Individuum gefragt ist. Da findet ein junger Mensch Gefallen an Sinnlichkeit und Schönklang: Tiefe, Versenkung, auch die dunklen, melancholischen Farben, sie werden ihm sicher noch zuwachsen.
Matthias Siehler, 17.03.2018
Diese CD können Sie kaufen bei:
Als JPC- und Amazon-Partner verdienen wir an qualifizierten Verkäufen
An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.
Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.
Für diese Rezension gibt es noch keine Kommentare.
Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion
An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.
Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.
Der spätbarocke Dichter Barthold Heinrich Brockes (1680–1747) begründete seinen Ruhm durch die 1712 entstandene Passionsdichtung „Der für die Sünde der Welt gemarterte und sterbende Jesus“. Mit dieser hochemotionalen Schrift war er so erfolgreich, dass gleich 13 zeitgenössische Komponisten diese vertonten, darunter Händel, Keiser, Mattheson und Stölzel. Auch Georg Philipp Telemann lernte den Text 1716 kennen und schrieb in seiner Autobiographie, dass „dessen Poesie von allen […] mehr