Decca 0 28946 70932 0
(62 Min., 12/1999) 1 CD
Nicht selten erwartet man von überflüssigen Neueinspielungen allbeliebter Werke, sie mögen ihr Erscheinen legitimieren, indem sie uns überraschend abweichende Lesarten bieten. Diese Art interpretatorischen Forschrittsdenkens treibt Musiker, Originelles herbeizutüfteln, obwohl die Partitur erschöpft zu sein scheint. Diesem Druck widersteht Jean-Yves Thibaudet mit größter pianistischer Gediegenheit, er phrasiert sorgfältig und agiert besonders im Finale des Grieg-Konzertes mit einigem Feuer. In den Tranquillo-Passagen dieses Satzes gefallen feinsinnig ausgesponnene Klaviermonologe. Pianistisch ist das eine untadelig erfüllte Mitte, der man im Konzert herzlichen Applaus nicht versagt hätte.
Walerij Gergiews desaströse Orchesterarbeit dagegen verdiente kräftige Buhrufe. Ich musste hier immer an den auf CD gebrannten Auftritt eines befreundeten Pianisten mit einem Liebhaberorchester denken: Am Ende der raketengleich aufschießenden Solokadenz in Beethovens zweitem Klavierkonzert kommt dort das Tutti um ein Viertel zu spät, was lustige Unbeholfenheit ausstrahlt. Doch solche Pannen sind auf dieser CD in einer Fülle zu bewundern, wie sie selbst Amateuren peinlich sein müsste. Dreimal allein im ersten Satz des Grieg-Konzerts kommt das Tutti, wann es Lust hat, die Bläser zuletzt. Die klappernden Schlusstakte des Finales kann man ohne Feixen kaum anhören. Den Gipfel der Peinlichkeit markieren die Orchesterritornelle des Larghettos im Zweiten Chopin-Konzert mit unsauberen Streichern und kläglich wackelnden Holzbläsern.
So einen Orchesterpfusch auf einer Decca-CD zu hören, ist bestürzend. Wer indes einmal Gergiew beim Dirigieren zugesehen hat, wundert sich angesichts des delirierenden Händezuckens, wie er kürzlich die Uraufführung von Sofia Gubaidulinas "Johannes-Passion" zusammengehalten hat. Bei den simplen Begleitaufgaben der Werke dieser CD gelingt es indes nicht.
Matthias Kornemann, 14.09.2000
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