home

N° 1309
10. - 16.06.2023

nächste Aktualisierung
am 17.06.2023



Startseite · Oper & Konzert · Pasticcio

Ein "Skandal" mit sooo langem Bart: Schon die Heilige Wilgefortis trug zum Kleid schließlich einen formvollendeten Vollbart, Beauvais (St. Étienne)

Pasticcio

Brava Conchita!

Königin Sissi trägt ab sofort genauso einen wie Prinzessin Kate. Und auch Anna Netrebko ist unter die Vollbartträger gegangen. Seit die österreichische Drag-Queen Thomas Neuwirth alias Conchita Wurst beim Eurovision Song Contest sich den Lorbeerkranz auf die Perücke setzen konnte, ist das Netz voll von Collagen. Und natürlich gibt es auch eine Szene, in der Vladimir Putin auf dem Bildschirm seines Büro-PCs dieses Wesen erblicken muss, bei dem diesem sittenstrengen Staatsmann in Wirklichkeit die wenigen Nackenhaare hochgehen müssten. Gar nicht gefallen dürfte es ihm zudem, dass sich selbst seine Busenfreundin Netrebko in den Reigen der Conchita-Fans eingereiht hat. So gratulierte die Sopranistin auf ihrer Facebook-Seite ihm/ihr mit den Worten „Brava Conchita!“ Dafür erhielt Netrebko jedoch nicht nur Zustimmung, sondern auch abfällig formulierten Gegenwind von ihren russischen Landsleuten.
Dabei sollte die homophobe, sich ach so christlich gebende Gemeinde nur mal einen kleinen Blick in die eigenen Operngeschichtsbücher gönnen. Schließlich ließ Serge Prokofjew 1921 in „Die Liebe zu den drei Orangen“ aus einer der Südfrüchte eine Köchin mit Bart steigen. Doch auch – und das dürfte den russischen Moralaposteln wohl noch weniger gefallen - in der kirchlichen Ikonographie gibt es eine Volksheilige, die sich 2014 mit ihrem Gesichtsschmuck nicht unbedingt auf die Straßen von Moskau trauen dürfte. Wilgefortis war ihr Name, die auch von den Brüdern Grimm verewigt wurde: „Es war einmal eine fromme Jungfrau, die gelobte Gott, nicht zu heiraten, und war wunderschön, so dass es ihr Vater nicht zugeben und sie gern zur Ehe zwingen wollte. In dieser Not flehte sie Gott an, dass er ihr einen Bart wachsen lassen sollte, welches alsogleich geschah; aber der König ergrimmte und ließ sie an's Kreutz schlagen, da ward sie eine Heilige.“ Heute gilt die bärtige Wilgefortis übrigens u.a. als Patronin gegen Haarausfall. Sollte Putin nicht allein deswegen mal umdenken?

Guido Fischer



Kommentare

Kommentar posten

Für diesen Artikel gibt es noch keine Kommentare.


Das könnte Sie auch interessieren

Gefragt

Max Emanuel Cencic

Der Impresario

Singen können einige, und Countertenöre sind keine Seltenheit mehr. Cencic ist allerdings auch […]
zum Artikel

Pasticcio

„Los, einfach machen!“

Erstaunlich ist es rückblickend schon. Da mauserte sich die Bundesrepublik ab Ende der 1940er […]
zum Artikel

Pasticcio

Anwalt der Zukunft

Als Pierre Boulez im vergangenen März seinen 90. Geburtstag feierte, wurde er von alten und neuen […]
zum Artikel


CD zum Sonntag

Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion

Externer Inhalt - Spotify

An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.

Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.

Dreizehn Jahre war Roger Norrington Chefdirigent des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart (vor der Fusion mit dem Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg zum SWR Symphonieorchester im Jahr 2016) und hat mit dem sogenannten „Stuttgart Sound“ weltweit für Furore gesorgt. Dabei handelt es sich um eine gelungene Synthese aus historisch informierter Aufführungspraxis und den Klangmöglichkeiten eines modernen Orchesters. Egal ob es sich um Werke von Mozart, Haydn, Brahms oder Beethoven dreht, […] mehr


Abo

Top