Ungebrochen von den Wechselfällen einer letztlich gescheiterten Karriere setzte sich Sergio Fiorentino (1927- 1998), längst war er eines der Mysterien der Klavierwelt, zwischen 1994 und 1997 ins Berliner Studio und brachte eine späte Ernte von einzigartiger Noblesse und Altersweisheit ein. Diese von APR lizensierten Aufnahmen stecken seinen gesamten Repertoirehorizont von Bach und Scarlatti bis zu den russischen Spätromantikern ab. Sollte ich für die legendäre Insel wählen müssen aus diesem Kompendium des gelassenen Weltabschieds, ich griffe zu Schubert und Schumann. Schon in der »kleinen« A-Dur-Sonate rührt der Neapolitaner ohne jeden Nachdruck, ohne Sentiment, an die letzten Dinge. Jede Andeutung gewinnt testamentarisches Gewicht. Und in einer der langsamsten Versionen (fast 14’!) der Aufnahmegeschichte weiten sich die Räume des letzten Satzes der Schumann-Fantasie, ohne dass wir uns darin verlieren würden ‒ dabei gerät der Satz vielen Spielern auch in doppeltem Tempo langweilig. Nicht minder verblüffend, wie er die hysteriegeschädigte g-Moll-Sonate renobilitiert.
Eileen Joyce (1908-1991) war eine überaus glamouröse Pianistin, in England verehrt wie ein Hollywoodstar, in Deutschland kaum bekannt. Wer die wunderbare Naxos- Edition »Women At The piano« studierte, konnte ein staunenerregendes Stücklein gleißenden Klavierspiels entdecken. Hier kommt das ganze Feuerwerk. Die vielen abgesunkenen Piècen in dieser Sammlung, eine Schatulle voller Halbedelsteine, bringt sie mit unbestechlicher Geschmackssicherheit und zupackender, Konturen schärfender Pianistik zum Glänzen. Eine fast schneidende Transparenz lässt auch ihren Bach und Mozart strahlen; ihr jeu perlé ist in der Casadesus-Liga, dergleichen ist ausgestorben. Und wer ihr nur die Kleinform zutraut, wird staunen, mit welchem architektonischen Sinn sie die großen Linien der Chopinschen g-Moll-Ballade freilegt.
Diese Wiederveröffentlichung bietet uns die Gelegenheit, endlich einmal wahrzunehmen, was für ein phänomenaler Pianist dieser Christian Zacharias doch ist. In Frankreich wissen sie’s und machten ihn zum »Officier dans l’ordre des Arts et des Lettres«, aber bei uns nörgelten die Kritiker viel über die unebene Orchesterbegleitung – vielleicht darum unternimmt Zacharias gerade einen neuen Wurf der Mozartkonzerte, die er selbst dirigiert –, aber man sollte auf den Pianisten achten, dessen subtile Klangkontrolle, dessen Nuancenminimalismus vielleicht nur die Kollegen ganz zu würdigen wissen. Da ist nichts Pathetisch-Formelhaftes. Der bemerkenswert zurückhaltende Schluss des c-Moll-Konzertes verrät es exemplarisch, nach innen richtet sich der Blick. Für alle, denen in der jüngeren Aufnahmegeschichte ein Zuviel ist, sei es an Klangrede, Munterkeit, Ruppigkeit oder Zucker, den mag hier die Kunst vollendeter Andeutung beglücken.
Matthias Kornemann, 30.11.1999, RONDO Ausgabe 1 / 2012
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