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Spätestens seit seinem 2010 veröffentlichten Purcell-Album »O Solitude« weiß Andreas Scholl, wie bitterste Eiseskälte klingen muss. Als er nämlich Purcells berühmten »Cold Song« zu einer vokalen Zitterpartie machte, bei der sich die Streicher der Accademia Bizantina sogar im Studio fast blaue Finger holten. Im Januar 2011 musste sich aber nicht nur Scholl dick einpacken. Diesmal trugen die Musiker vom Kammerorchester Basel gleich mehrere Pulloverschichten übereinander, Wollmützen und zwischendurch wärmende Fäustlinge. Denn in der Klosterkirche »Les Dominicains de Haute-Alsace« im elsässischen Guebwiller hatte sich der Winter tief im Mauerwerk eingenistet. Doch rückblickend kann Scholl über diese saisonal bedingte Marter schon wieder lachen: »Bei Bach gehört das Leiden mit dazu.«
Nun ist Scholl zum musikalischen Urvater des Barock zurückgekehrt. Schließlich hat der heute 44-Jährige ihn schon im zarten Knabenalter von neun Jahren gesungen. Damals, bei den Chorbuben in seinem Heimatstädtchen Kiedrich, stand Bachs »Johannespassion« auf dem Programm. Und obwohl seine Sängerkarriere noch in den Sternen stand, ließen ihn die Botschaft und die Macht von Bachs Musik nicht mehr los.
Vor allem mit dem belgischen Alte Musik-Spezialisten Philippe Herreweghe hat Scholl den Bach-Kosmos später regelmäßig erkundet. In den Einspielungen der h-Moll-Messe, der Passionen, aber auch 1998 für die Aufnahme dreier Alt- Kantaten. Für seine Wiederbegegnung mit dem Thomaskantor hat sich Scholl nun neben einer weiteren Alt-Kantate (»Gott soll allein mein Herze haben«) auch die Kantate »Ich habe genug« ausgewählt, die ursprünglich für Bass geschrieben wurde. Und ein weiteres Mal war Scholl klar, dass man Bach nicht einfach runtersingen kann, der Vokalpart ist oftmals so instrumental angelegt, dass man kaum die Chance hat, zwischendurch tief durchzuatmen. Für Scholl flüstert Bach durch die kompromisslosen Hürden und Herausforderungen dieser Musik dem Interpreten unablässig zu: »Ich hoffe, Du bist gut genug, dies zu singen.« Seine Antwort darauf kann sich hören lassen.
Decca/Universal
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