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N° 1354
20. - 29.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Retro-Diskothek

Die Wiederbelebung großer klassischer Musicals wie »Showboat« (Jerome Kern), »Anything Goes« (Cole Porter) oder »Annie Get Your Gun« (Irving Berlin) scheint ähnliche Puzzlekünste vorauszusetzen wie das Rekreieren barocker Opern: Man hat einen Dschungel von unterschiedlichen Fassungen zu durchforsten, gestrichene oder alternative Nummern zu sichten, weitreichende Entscheidungen über die Instrumentalbesetzung zu treffen. Und freilich müssen permanent Geldgeber aufgetrieben werden, die fähig und bereit sind, in ungeheuer aufwendige Projekte mit (zumindest in puncto Verkaufserfolg) ungewissem Ausgang zu investieren. Kurzum: Es braucht einen unbequemen, unermüdlichen Fanatiker. In Sachen »Klassisches
Musical« war der amerikanische Dirigent John McGlinn ein solcher Mann – dass er Anfang 2009 mit nur 55 Jahren an einer Herzattacke starb, scheint im Blick auf seinen rückhaltlosen Einsatz für die großen Broadwayspektakel der Zwanziger-, Dreißiger- und Vierzigerjahre kaum ein Wunder zu sein. Für EMI durfte McGlinn Ende der Achtziger- bzw. Anfang der Neunzigerjahre einige der von ihm aufwendig rekonstruierten Musicals aufnehmen. Stars wie Frederica von Stade, Teresa Stratas, Jerry Hadley oder Thomas Hampson standen ihm dafür zur Verfügung. Im Nachgang seines allzu frühen Endes präsentiert EMI nun seine grandiosen Produktionen in einer 12-CD-Box, der als CD-ROM zusätzlich die kompletten Libretti, die Synopsen und die originalen Booklettext beiliegen.

Broadway Musicals Limited Edition

EMI

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Nur selber spielen kann noch schöner sein: Bernard Foccroulles in den Jahren 1982 bis 1997 entstandene Gesamteinspielung der Orgelwerke Johann Sebastian Bachs dürfte, nun zu einer gar nicht so kostspieligen Box mit 16 CDs vereint, das Herz eines jeden Orgelliebhabers höher schlagen lassen. Foccroulle, der zu den »historisch informierten« Organisten zu zählen ist, hat das Mammut-Projekt folgerichtig auf historischen Orgeln, viele davon aus dem Bachumfeld, verwirklicht: Die Arp-Schnitger-Orgel in der Hamburger Jacobi-Kirche zählt ebenso dazu wie die Silbermann-Orgeln in Pfaffroda und Freiberg. Charakteristisch schnarrende Zungenstimmen, kraftvolle Organo-pleno-Registrierungen und singende Flöten bestimmen das abwechslungsreiche Klangbild. Foccroulle bedient die geschichtsträchtigen Instrumente ebenso virtuos wie artikulatorisch differenziert. Ein ideales Weihnachtsgeschenk für Orgelfreaks.

Johann Sebastian Bach

Sämtliche Orgelwerke

Bernard Foccroulle

Ricercar/Note 1

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Ein gedrosselter Zigarettenkonsum hätte Richard Tauber womöglich ein längeres Leben ermöglicht, und eine bessere Geschäftspolitik hätte seinen Lebensabend im Exil zweifellos komfortabler gemacht: Als Tauber Anfang Januar 1948 in London im 57. Lebensjahr an Lungenkrebs starb, war er schon seit Längerem verarmt, denn er hatte sich bei seinen zahlreichen Schallplatteneinspielungen immer für eine (wenngleich stattliche) Einmalzahlung statt für Tantiemen entschieden – das war sicher ein Fehler. Aber was soll’s: Der gebürtige Linzer hatte stets aus dem Vollen gelebt, sagenhaften Luxus genossen, Spaß ohne Ende gehabt. Und er durfte sich lange an der ganzen Fülle seiner stimmlichen Mittel freuen, wie die spätesten Aufnahmen dieser Box beweisen: Bis weit ins Jahr 1946 hinein stand er noch in den Abbey Road Studios und produzierte jenen Mix aus klassischen und unterhaltungsmusikalischen Singles, der ein Leben lang sein Markenzeichen gewesen war. Diese EMI-Box vereint Opern- und Operettenarien sowie Schlager zu einem Kaleidoskop des unverwechselbaren Könnens Richard Taubers: Tondokumente aus über 25 Jahren einer einzigartigen Karriere faszinieren den Hörer, wobei oft gerade die späten englischen Produktionen die packendsten sind.

Richard Tauber: Icon-Box

EMI

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Elisabeth Schwarzkopfs vokale Farbenspiele waren stets eine Gratwanderung zwischen »großartig« und »kaum erträglich«: Die beinahe manisch zu nennende Perfektionistin drängte dem Publikum oftmals eine eigenwillig künstliche phonetische Lesart des Liedtextes auf, die, gepaart mit satten Portamenti und anderen Grenzwertigkeiten, eher entfremdende denn einnehmende Wirkung hatte. Aber sie konnte auch anders: Dort, wo ihre unbestreitbaren stimmlichen Qualitäten sich die Waage halten mit ihrem peniblen Interpretationswillen, wo letzterer auch einmal auf der Welle vokaler Schönheit mitschwimmen darf, da öffnet sich plötzlich ein Kosmos mitreißender Liedgesangskunst. Die Rundfunkaufnahmen, die Elisabeth Schwarzkopf 1958 mit Michael Raucheisen für den RIAS Berlin verwirklichte, sind über weite Strecken Dokumente solcher Sternstunden: Vor allem in den Liedern von Wolf und Strauss erleben wir eine Elisabeth Schwarzkopf, die wir nicht vergessen sollten.

Lieder

Elisabeth Schwarzkopf

Audite/Edel

Michael Wersin, 22.02.2014, RONDO Ausgabe 6 / 2009



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