Startseite · Interview · Gefragt
Am Anfang, so erzählt Eisenlohr, stand eine Idee: Er und ein weiterer Klavierbegleiter namens Stefan Laux nahmen schlichtweg den Anspruch ihrer Plattenfirma, die gesamte klassische Musik des Abendlandes in guten Aufnahmen vorzulegen, ernst und entwarfen auf eigene Faust ein Konzept zur Produktion aller knapp 700 Schubertlieder. Und anders als der Pianist Graham Johnson, der Schuberts gesamtes Liedwerk zu einer Folge von speziell auf die jeweiligen Sänger zugeschnittenen Recitals formte, planten Eisenlohr und Laux von vornherein die Gliederung nach Dichtern bzw. dichterischen Kategorien.
Ihre Firma sagte ja zu dem gewaltigen Vorhaben, und 1998 fanden die ersten Aufnahmen statt. Nach wenigen Jahren trennte sich Stefan Laux von der Edition, und fortan hatte Ulrich Eisenlohr die Hauptarbeit: Auswahl der insgesamt ungefähr 40 zumeist jüngeren Sänger, Zusammenstellung der Programme, Verfassen der Beihefttexte – und selbstverständlich die Erarbeitung und Aufnahme der Lieder. Nur in acht Folgen nämlich ist Eisenlohr nicht selbst der Begleiter, und das lag meistens daran, dass der betreffende Sänger seinen eigenen Begleiter mitbringen wollte.
Ein forderndes Projekt also: Eisenlohr hat, so bekennt er selbst im Interview, einen großen Teil der Zeit seines vergangenen Lebensjahrzehnts mit der Arbeit an Schuberts Liedern verbracht. Fühlt man da eine gewisse Leere, wenn’s vorbei ist? Froh und dankbar sei er einerseits, sagt Eisenlohr – andererseits kann er eine gewisse Traurigkeit nicht verleugnen. Aber: Die enzyklopädische Arbeit am deutschsprachigen Lied ist, wir haben es fast vermutet, für Eisenlohr nicht beendet. Eine Gesamtaufnahme aller Lieder Hugo Wolfs ist angedacht.
Die Schubert-Lied-Edition ist übrigens tatsächlich vollständig – so vollständig, wie sie, basierend auf der vorbildlichen Schubert-Gesamtausgabe des Bärenreiter-Verlags, nur sein kann: Von zahlreichen Liedern gibt es mehrere Fassungen, die sich oft nur in Details unterscheiden. Solche Aspekte bleiben den Nutzern der praktischen Lied- Ausgaben zumeist verborgen, und auch für die Aufnahmen galt es, pro Einzelfall zu entscheiden, wo tatsächlich eine interpretatorisch zu dokumentierende Alternativfassung vorliegt. Die Folgen 32 bis 34 brachten noch mehrstimmige Gesänge verschiedenster Art, unter denen es so manche Perle zu entdecken gibt. Die letzte Folge wird noch Rätselhaftes und Unfertiges enthalten, darunter etwa ein sehr frühes Liedfragment in c-Moll (zu datieren auf etwa 1812), dem neben seiner Vollständigkeit noch etwas Anderes sehr Wesentliches fehlt: der Text. Weil sich der Musik kein Gedicht verlässlich zuordnen lässt, setzte Eisenlohr hier kurzerhand ein Cello ein. Man darf gespannt sein.
Michael Wersin, 22.02.2014, RONDO Ausgabe 6 / 2009
Würzburg
Mozarts Musik, barocke Architektur und (Lebens)Kunst – dies ist der unverwechselbare Dreiklang […]
zum Artikel
Bach im Teilchenbeschleuniger! Und Wagner vor dem Kadi! Diese beiden Meldungen sorgen aktuell für […]
zum Artikel
Namen, Nachrichten, Nettigkeiten: Neues von der Hinterbühne
Tenor Klaus Florian Vogt reist nach wie vor mit eigenem Flugzeug, eigenem Motorrad oder […]
zum Artikel
Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion
An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.
Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.
Der spätbarocke Dichter Barthold Heinrich Brockes (1680–1747) begründete seinen Ruhm durch die 1712 entstandene Passionsdichtung „Der für die Sünde der Welt gemarterte und sterbende Jesus“. Mit dieser hochemotionalen Schrift war er so erfolgreich, dass gleich 13 zeitgenössische Komponisten diese vertonten, darunter Händel, Keiser, Mattheson und Stölzel. Auch Georg Philipp Telemann lernte den Text 1716 kennen und schrieb in seiner Autobiographie, dass „dessen Poesie von allen […] mehr