Startseite · Interview · Gefragt
Mozart, natürlich. Man glaubt es Measha Brueggergosman auf Anhieb, dass die knapp viereinhalb Minuten der »Abendempfindung an Laura« sie so viel Blut, Schweiß und Tränen gekostet haben wie kein anderes Lied auf ihrem neuen Album »Night and Dreams«. Jahre habe es gedauert, erzählt sie, bis sie ihren Sopran so unter Kontrolle hatte, dass sie ihn durch das Nadelöhr dieser schlichten, scheinbar so harmlosen Melodie fädeln konnte: »Obwohl ich singe, seit ich sieben Jahre alt bin und eigentlich eine sehr starke Technik habe, konnte ich dieses Lied am Anfang kaum singen. Denn das Einfache ist hier gerade das Schwierige: Sobald Du versuchst, zu pushen und unsicher wirst, verrät ein Mozartlied das sofort wie ein Lügendetektor.« Gerade deshalb findet man den Schlüssel zur Persönlichkeit von Measha Brueggergosman am ehesten hier: Obwohl die 32-Jährige bei ihren Recitals eher den Anschein von überschäumendem Temperament und schierem Spaß am Singen vermittelt, stecken dahinter ein eiserner Disziplinierungsprozess und ein Durchhaltevermögen, ohne das eben keine große Sängerkarriere möglich ist.
Denn schon als Teenager hatte sich die Kanadierin in den Kopf gesetzt, nicht den einfachen Weg über die großen Opernbühnen zu gehen, sondern sich am Schwersten abzuarbeiten und an ihrer Stimme solange zu feilen, bis sie zu den subtilen Nuancen und hingehauchten Zwischentönen des Liedgesangs fähig ist. Ein Ziel, für das Brueggergosman sogar den Weg in die deutsche Provinz auf sich nahm: Nach fünf Jahren Unterricht bei der berühmten Bachstilistin Edith Wiens an der Augsburger Musikhochschule war sie schließlich nicht nur so weit, Schubert und Mozart singen zu können, sondern selbst schon zur Hälfte eingedeutscht: »Jedes Mal, wenn ich hierher komme, frage ich mich wieder: Warum lebst Du eigentlich noch nicht hier? Und was ich in Kanada wohl am meisten vermisse, sind Schweinshaxen und Germknödel!«
Die Ochsentour hat sich für die farbige Kanadierin jedenfalls gelohnt: Seit ihrem Debütalbum »Surprise« vor zwei Jahren wird Brueggergosman als die neue Jessye Norman gefeiert. Was durchaus passt: Mit ihrer Vorgängerin teilt Brueggergosman nicht nur die Leidenschaft für das Lied, sondern auch einen ganz ähnlich timbrierten Sopran, der problemlos selbst die tieferen Regionen eines Mezzosoprans erreicht: Brueggergosman kann eben nicht nur die zarten, silbernen Töne für Mozart und Strauss, sondern auch die dunkleren und manchmal abgündigen Gefühle der Romantik. Die sinnlichen Mélodies des französischen Eigenbrötlers Henri Duparc beispielsweise, von denen zwei auf ihrem neuen Album »Night and Dreams« vertreten sind: »Die liegen mir von allen französischen Liedern am meisten, wohl auch, weil sie in ihrer orchestralen Art manchmal fast an Mahler und Wagner erinnern. Duparc hat neben französischer Poesie und feinem Parfüm auch viel Leidenschaft«, erklärt Brueggergosman begeistert. Und würde vermutlich am liebsten gleich lossingen – wenn sie nicht soviel Selbstdisziplin besäße.
Jörg Königsdorf, 15.02.2014, RONDO Ausgabe 1 / 2010
Wiener Geschichten
Der Pianist lädt dazu ein, auf einem musikalischen Streifzug die Donaumetropole durch Schumanns […]
zum Artikel
Kürzlich ging ein Reporter Christian Thielemann zwar nicht an die Wäsche. Dafür hatte er in […]
zum Artikel
Mit Adrenalin auf zwei Wiener Gipfel
Die deutsche Violinistin hat nach viel Kammermusik nun ihre erste Orchester-CD aufgenommen – und […]
zum Artikel
Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion
An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.
Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.
Alexander Skrjabins frühe Werke sind in ihrer Tonsprache noch stark von Chopin und Liszt beeinflusst. Die Préludes op. 13, zeigen deutliche Bezüge zu Chopin, aber auch eine visionäre Originalität, die seine zukünftige Modernität vorwegnimmt. In der berühmten Étude in cis-Moll hört man komplexe Harmonien, während die epische Leidenschaft der Fantasie in h-Moll bereits den kompositorischen Fortschritt andeutet. Die italienische Pianistin Daniela Roma hat in ihrem Heimatland und den […] mehr