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Bratscher gehören zu den ausgeglichendsten, lockersten und liebsten Klassikkünstlern der Welt. Sie haben viel Zeit, beantworten auch heikle Fragen und zahlen anschließend die Zeche. So haben sie aus persönlichem Antrieb das Image ihres Instruments erstaunlich aufpoliert. Aus dem hässlichen Entlein der Streicherwelt ist doch noch ein Schwan geworden. Der 30- jährige, durchaus schwanenhaft wirkende Antoine Tamestit, für den unlängst Olga Neuwirth ihr neues Bratschenkonzert komponierte, kam (wie die meisten) auf Umwegen zur Bratsche. Im Alter von zehn Jahren wollte er seine Geige eigentlich gegen das Cello eintauschen, nachdem er Paul Tortelier die Cellosuiten von Bach hatten spielen hören. Die Lehrerin klagte, dann sei ja die ganze Mühe umsonst gewesen. So wechselte er zur Viola und blieb dabei, weil der sonore Sound des Instruments »durch den ganzen Körper hindurch vibriert«. Bis zu den Füßen, so Tamestit.
Der Holzknopf an der Zarge, den er beim Spielen gegen den Knutschfleck an seinem Hals drückt, übertrage die Schwingungen bis in den Mund. So dass er sich beim Spielen wie ein stummer Sänger fühle. Tatsächlich singen will und kann er auf seinem Instrument. Als klangliches Ideal bezeichnet er die amerikanische Sängerin Antoine Tamestit WELLNESSWELLEN Renée Fleming. Antoine Tamestit verfügt über den zurzeit wohl elegantesten Violaton der Welt. Seine Lehrerin Tabea Zimmermann spielt kantiger, Yuri Bashmet kerniger und schroffer. Dabei gehören deutsche Musiker wie Frank Peter Zimmermann und Christian Poltéra zu den Lieblingspartnern des Sohnes französischer Juden, deren Familien aus Marokko und Algerien kamen. Zu den Vorbildern des gelockten Jünglings zählt auch der heute fast vergessene Christian Ferras, Lieblingsgeiger von Herbert von Karajan.
Seit zwei Jahren (genauso lange wie Tamestit verheiratet ist) spielt er die älteste der nur etwa zehn existierenden Stradivari-Bratschen – und damit eines der teuersten Instrumente der Welt. Um sich an die Stradivari »Mahler« zu gewöhnen, brauchte er zwei Jahre. »Zunächst wollte ich das Instrument zurückgeben, weil es nicht das tat, was ich mir wünschte. Es war zu lange nicht gespielt worden.« Man gewöhnte sich aneinander – und veränderte sich wechselseitig. »Du musst das Instrument behandeln wie eine Frau«, sagten ihm Freunde. Die Lösung: Er wechselte den Bogen. Die Ehe hält. Übrigens ist die Bratsche insgesamt ein zu heikles Instrument, um sie im »Nebenberuf« zu spielen, wie dies Geiger wie Maxim Vengerov oder Pinchas Zukermann taten. »Bei allem Respekt für diese tollen Musiker: Ihr Ton ist zu leicht, ohne das nötige Gewicht und ohne die klangliche Rundheit und Weichheit, die man braucht.« Die Wellness-Wellen, die Antoine Tamestit aus den Tiefen der Viola hervorholt, kommen denn auch nicht von der Klangwelt der Geige her. Sondern eher vom Bedürfnis, ein Cello zu sein. Ein Cello, das so cremig hell singt wie Renée Fleming.
Robert Fraunholzer, RONDO Ausgabe 2 / 2010
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