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Er sieht noch fast wie frisch ausgepackt aus, der Hammerflügel nach Walter & Sohn, der, in warmen Farben glänzend, in Kristian Bezuidenhouts kleinem Wohnzimmer steht. Wir befinden uns übrigens in London, wo Bezuidenhout seit zwei Jahren wohnt. Geboren ist er 1979 in Südafrika und siedelte später mit den Eltern nach Australien über. Er könnte wohl noch viel mehr aus seinem jungen Leben erzählen, wenn nicht wieder einmal der Mann alle Aufmerksamkeit beanspruchen würde, den er schon als 10- Jähriger glühend verehrte: Mozart. Wobei diese Liebe bei Bezuidenhout zunächst mehr durchs Ohr als durch die Finger ging: »In unserer Stadt gab es damals einen sehr guten Klassikladen«, erinnert er sich: »Ich habe mein ganzes Geld für Platten ausgegeben und es ist keine Übertreibung, dass es damals mein größter Wunsch war, diese monströse Mozart-Edition von Philips zu besitzen.« Zwar habe er Mozart auch auf dem Klavier gespielt, das er um diese Zeit ernsthaft zu traktieren begann. Und dennoch: »Es kam mir von Anfang an so vor, dass es sehr viel frustrierender war, Mozart zu spielen, als ihn anzuhören. Und die Barriere war immer das moderne Klavier.« Denn der Stimulus, den man von Lehrern, Kollegen oder auch der Plattenindustrie bekommen habe, sei der gewesen, »dass Mozart immer in dieser sehr diskreten, sehr eleganten, hochkultivierten und feinsinnigen Art von Mezzopiano gespielt werden sollte – vielleicht auch Mezzoforte, aber niemals sehr viel mehr als das.«
An der Eastman School of Music in Rochester begann Bezuidenhout schließlich sein Studium – auf dem modernen Klavier. Dort lernte er aber auch den Fortepiano-Guru Malcolm Bilson kennen, der prompt sein Mentor wurde. »Er hatte immer einen Hammerflügel mit dabei, für die Leute, die es interessierte«, erzählt Bezuidenhout. »Ich spielte die Sonate KV 332 und es war unglaublich ungewohnt und fremd und sehr schwer, einen überzeugenden Ton zu finden – aber trotzdem war mein erstes Gefühl das einer Befreiung: Dieses Klavier zu haben, auf dem ich einen Akkord mit der linken Hand richtig laut anschlagen kann – und es klingt einfach prima! Dramatisch und interessant!« Wie eigenständig und systematisch Bezuidenhout seinen Mozartstil entwickelte, konnte man schon früh an seinem frappierend lebendigen Umgang mit der Musik unbekannterer modischer Zeitgenossen Mozarts hören, deren galanten Konversationston er – wie einst der Meister selbst – genauestens studiert hat. Man müsse viel in diesen Ton investieren, bestätigt er heute. Doch wenn man das Risiko scheue, über den nackten Text hinaus auch die Persönlichkeit des »komponierenden Interpreten « lebendig werden zu lassen, dann fehle selbst dem reifen Mozart etwas: »Wir müssen extremere Dinge wagen, egal in welche Richtung wir uns bewegen. Die Molltonarten müssen noch dramatischer und explosiver rüberkommen – und die Stücke in C-Dur sind für mich unheimlich geistreich und charmant und höchst nuanciert.« Und erst wenn man dies alles zu jedem Zeitpunkt sein könne, »von Variation zu Variation oder von Takt zu Takt«, dann beginne man zu erkennen, wie sich bei Mozart eben auch die Oberfläche ständig bewege »und ständig wechselnde Szenen, Beleuchtungen und Stimmungen entstehen«. Zumindest dann, »wenn man sich selbst erlaubt, diese Musik mit mehr Flexibilität und Einfallreichtum zu behandeln – und das ist eine harte Lektion.« Eine, die inzwischen reife Früchte trägt: Aus Bezuidenhouts erster Mozart-Solo-CD mit späten Sonaten und Variationen wurde noch während der Aufnahme »Volume 1« einer auf etwa 10 CDs projektierten Gesamtaufnahme aller bedeutenden Soloklavierwerke des Salzburger Genies. Wer den Klavierspieler Mozart kennenlernen will, wird an ihnen kaum vorbeikommen.
Carsten Niemann, 08.02.2014, RONDO Ausgabe 2 / 2010
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